Jeder Patient soll bei „Apotheke“ sofort an „Easy“ denken – so die Vision von Vorstand Stephan Just. Diese hat er zuletzt in einem Interview mit dem „Wirtschaftsforum“ kundgetan. Der Weg dahin ist allerdings noch lang. Nach mehreren Finanzierungsrunden hat sich die Systemzentrale ehrgeizige Ziele gesetzt. 2019 könnte ein entscheidendes Jahr für das Franchisesystem werden.
Als er gemeinsam mit Lars Horstmann 2012 zu Easy kam, war die Firma Just zufolge „in einer Schieflage“. Der Umbruch war eingeleitet: 2011 waren mit dem Bielefelder Textilgroßhandel Katag, der Stuttgarter Industriellenfamilie Magirus, der Firma Terberger und der Niedersächsische Kapitalbeteiligungsgesellschaft (NKB) neue Investoren an Bord gekommen. Letztere hat sich inzwischen zurückgezogen.
Die anderen Investoren haben dagegen jüngst noch einmal Kapital zugeschossen: Knapp 2,5 Millionen Euro wurden bei den Gesellschaftern über Wandelanleihen eingeworben. Das war ein Drittel des bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im Dezember genehmigten Betrags. In diesem Zuge wurde die „Wachstumsstrategie 300“ beschlossen. Dieser Schlachtruf fasst die Erwartungshaltung zusammen.
Just verweist auf die positive Entwicklung: Der Umsatz auf bestehender Fläche sei in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt um mehr als 14 Prozent pro Jahr gestiegen. Nach eigenen Angaben hat die Gruppe ihren Außenumsatz seit 2013 auf zuletzt 300 Millionen Euro verdreifacht. Im Jahr 2015 wurde die Eröffnung der 100. Easy-Apotheke groß gefeiert – zum Einstieg von Just und Horstmann waren es nur halb so viele Standorte. Bei der Neuausrichtung wurde auch die Discountstrategie aufgegeben, der neue Claim lautet seitdem: „Einfach viel drin“.
Die Expansion ist derweil etwas ins Stocken geraten. Die Anzahl von heute 125 Apotheken ist in den vergangenen Monaten nicht dramatisch gewachsen, auch weil immer mal wieder Schließungen dazwischenkamen. Jene feierlich eröffnete 100. Apotheke zum Beispiel ist schon wieder zu. Die Inhaberin hat kurz vor Weihnachten aufgegeben. Eigentlich wollte Easy den Standort schon im Januar neu vergeben, bislang hat sich für das Prestigeobjekt an der Düsseldorfer Luegallee offenbar noch kein Nachfolger gefunden.
Intern wurde nach Informationen von APOTHEKE ADHOC dennoch eine ehrgeizige Zielmarke ausgegeben: 25 neue Standorte sollen im laufenden Jahr dazukommen, also ziemlich genau zwei pro Monat. Gemessen an einer Vorlaufzeit zwischen Vertragsschluss und Eröffnung von drei Monaten und realistischer einem halben Jahr, ist das Vertriebsteam jetzt schon im Hintertreffen. Angesichts eines stetigen Rückgangs der Apothekenzahl arbeitet Easy ohnehin gegen den Trend.
Trotzdem hat Just ein ehrgeiziges Ziel, das er gegenüber dem „Wirtschaftsforum“ so formuliert: „Meine persönliche Vision ist, dass bei jedem, der in Deutschland an eine Apotheke denkt, die easyApotheke die erste Wahl ist. Zu uns zu kommen, soll eine fröhliche, keine traurige Geschichte sein. Mein Wunsch ist, dass alle Easy-Apotheker wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmer sind und wir glückliche, zufriedene Mitarbeiter haben.“
Im Interview überrascht Just mit der Aussage, dass der Einwurf-Flyer noch immer das erfolgreichste Marketing-Instrument ist. „Die Kunden lieben ihn. Das ist in der Tat witzig, im Zeitalter der Digitalisierung.“ Trotzdem sei Omnichannel-Marketing für Easy natürlich ein großes Thema. Aber es ist das Vor-Ort-Geschäft, für das Justs Herz schlägt, wie er beteuert. „Wir lieben stationär! Den Versandhandel sehen wir als Unterstützung unseres stationären Handels.“ Dass hinter beiden Angeboten jeweils unabhängige Apotheker stehen, muss man wissen, denn im Interview findet das keine Erwähnung.
Auch wenn die empathische Beratung in der Apotheke die anonyme im Internet schlägt, weiß Just, dass man den Kunden heute ein Einkaufserlebnis bieten muss. Und hier sieht er Easy klar im Vorteil: „Eine herkömmliche Apotheke ist wie eine Post mit Theke und Kasse aufgebaut“, sagt er gegenüber dem „Wirtschaftsforum“. Bei Easy gingen die Kunden dagegen auch einfach mal shoppen. Während Easy-Apotheken auf 275 bis 300 m² Verkaufsfläche mehr als 4000 Artikel im Angebot hätten, seien es bei anderen Apotheken nur 400, so der Kooperationschef, allerdings ohne diese Zahlen zu belegen.
Die beiden Vorstände wollten zum Start „den Apothekenmarkt nachhaltig verändern“, berichtet Just, einen kleinen Seitenhieb gegen seinen alten Arbeitgeber Noweda lässt er nicht aus: Ein Tanker mit fünf Milliarden Euro Umsatz – da seien Veränderungen fast unmöglich gewesen, es ließ sich nicht wirklich etwas bewegen ließ. „Da haben wir einen großen Sessel platt gesessen, aber inspirierend war das nicht“, so Just.
Das empfindet er jetzt anders: einfache, flache Hierarchien, Flair und Umgangsformen eines Start-ups, die Professionalität eines Konzerns, pure Leidenschaft. Er und Horstmann steckten selbst sehr tief im Geschäft, ließen trotzdem andere machen. „Jeder kann mit jedem und wir vereinen viele Nationalitäten. Bei der Weihnachtsfeier waren bis auf fünf Mitarbeiter alle da.“ Fünf von mehr als 70 – als Just 2012 an Bord kam, seien es ein Dutzend Mitarbeiter gewesen. Der 53-Jährige arbeite zwar mehr als jemals zuvor in seinem Leben, habe aber auch noch nie so viel Energie verspürt.
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