Juristische Prüfung des Protesttags

Droht den Streik-Apotheken Ärger?

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Berlin -

Am 14. Juni sollen die Apotheken geschlossen bleiben. Während der Deutsche Apothekerverband (DAV) als wirtschaftliche Interessenvertretung zum Streik aufruft, kann die Abda den Protesttag nur „unterstützen“. Ob aber den Apotheken am Ende Ärger mit ihrer Aufsichtsbehörde droht, kann die Standesvertretung aktuell noch nicht einschätzen.

Klar ist: Apotheken dürfen nicht einfach so schließen. Der staatliche Versorgungsauftrag gemäß § 1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) und die Dienstbereitschaftspflicht gemäß § 23 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geben klare Leitplanken vor. Einen ganzen Mittwoch komplett zu schließen und an die notdiensthabende Apotheke zu verweisen, steht diesen Regelungen zunächst einmal entgegen.

Unter normalen Umständen müssen sich Apotheken von ihrer Dienstbereitschaft befreien lassen. Weil die Landesapothekerkammern (LAK) aber ihrerseits unter der Rechts- und Fachaufsicht der jeweiligen Landesregierung stehen, dürfen sie von sich aus hier kein Auge zudrücken. Aus dem gleichen Grund dürfen die Kammern ihre Mitglieder auch nicht aktiv zum Streik aufrufen, wie aus einer juristischen Einschätzung der Abda hervorgeht.

Abstimmung mit Aufsichtsbehörden läuft

Etwas einfacher dürfte die Abstimmung in Niedersachsen und dem Saarland sein, weil in diesen Ländern die LAK direkt mit der Aufsicht betraut sind. In anderen Ländern sind dies beispielsweise Regierungspräsidium oder Landesamt. Dem Vernehmen nach laufen derzeit noch Abstimmungen mit diesen Aufsichtsbehörden, ob die Apotheken eine Befreiung beantragen müssen und wie dann damit umgegangen wird.

Die Abda hat ihrerseits die LAK informiert, wie sie sich zum Protest verhalten sollten. Bei der Frage, „ob Kammern gegen zu erwartende Verstöße gegen die Dienstbereitschaftspflicht am ‚Protesttag‘ vorgehen müssen oder ob sie diese dulden können“ sei eine „Verhältnismäßigkeits- und Grundrechtsabwägung“ erforderlich. Die teilnehmenden Apothekenleiter könnten sich beispielsweise auf ihr Demonstrationsrecht berufen, „wenn es sich um abgestimmte, zeit- und inhaltsgleiche Proteste handelt“ – eine sogenannte „dezentrale Demonstration“.

Dieses Grundrecht der Apotheker:innen müsse mit anderen betroffenen Rechten abgewogen werden, zuvorderst natürlich mit dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Dabei hat laut Abda durchaus Gewicht, dass der Gesetzgeber in Ausnahmesituationen eine reduzierte Arzneimittelversorgung auf dem Niveau des üblichen Notdienstes als zumutbar empfindet.

Verhältnismäßigkeitsprüfung

  1. Ist der Protest ein geeignetes Mittel?
    Konkrete Erfahrungen aus anderen Wirtschaftsbereichen – im Gesundheitswesen insbesondere bei der Ärzteschaft – belegten, dass ein solcher Protest als geeignetes Mittel zur Beförderung der berufspolitischen Ziele anzusehen ist.
  2. Ist der Protest erforderlich?
    Die Maßnahme folge „auf eine lange Reihe berufspolitischer Bemühungen und Aktionen, die letztlich erfolglos geblieben sind“, so die Einschätzung der Abda. „Es gibt so gut wie keine Anzeichen, dass die Forderungen der Abda von den Adressaten aufgegriffen und einer Lösung zugeführt würden.“ Also sei eine Steigerung der Intensität „zulässig, wenn nicht sogar geboten“.
  3. Ist der Protest angemessen?
    Hier steht das grundrechtlich geschützte Interesse der Apothekeninhaber:innen an einer Artikulation ihrer zentralen berufspolitischen Interessen dem Interesse der Apothekenkunden entgegen, orts- und zeitnah mit Arzneimitteln versorgt zu werden. Da die Versorgung „nicht über das erforderliche Maß hinaus eingeschränkt“ werde, mindestens auf dem Niveau des Notdienstes sichergestellt bleibe und die Beeinträchtigungen zeitlich befristet sei, sieht die Abda auch hier keine größeren Bedenken.

Fazit der Abda: „Kammern können also nach pflichtgemäßer Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass sie Apothekenleiter nicht sanktionieren müssen, die am ‚Protesttag‘ teilnehmen.“

Was die Abda selbst betrifft, so fällt der Protesttag nach eigener Einschätzung in den satzungsgemäßen Aufgabenbereich, nämlich die „Wahrnehmung und Förderung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen“. Zu den originären Kammeraufgaben zähle die Wahrung und Förderung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder, inklusive der „Förderung wirtschaftlicher Interessen der Apothekerschaft“. Beim DAV und den Landesapothekerverbänden (LAV) ist dieser Bezug noch viel eindeutiger – daher auch die hervorgehobene Rolle von DAV-Chef Dr. Hans-Peter Hubmann in der Streik-Kommunikation.

Keine Kammer-Polemik

Die Abda hat sogar geprüft, ob der Protesttag gegen das Kartellrecht verstoßen könnte. Da aber jeder Inhaber / jeder Inhaberin frei entscheiden könne und auch die Nichtteilnahme keine Benachteiligungen oder gar Sanktionierungen nach sich ziehe, seien keine Wettbewerbsbeschränkungen zu besorgen. Von einem hoffentlich positiven Effekt des Protesttags würden wiederum alle gleichermaßen profitieren.

Intern abgesichert hat sich die Abda mit internen Beschlüssen und vorab entsprechenden Meinungsbildungsprozesse in den Mitgliedsorganisationen. Allerdings müssten die Kammern vor allem das „Gebot der Ausgewogenheit und Objektivität“ beachten. „Polemisch überspitzte Formulierungen oder emotionalisierte Konfliktaustragung sind kammerrechtlich höchst kritisch“, warnen die Juristen.

Bei der Abda ist man sich bewusst, dass die oben genannte Interessenabwägung wackelig ist: „Es ist daher durchaus realistisch, dass – unterstellt, es gäbe entsprechende Beschwerden – Aufsichtsbehörden oder Gerichte zu der Auffassung gelangen können, Kammern (und damit auch die Abda) dürften nicht aktiv zu einem solchen ‚Protesttag‘ aufrufen, sondern sich allenfalls unterstützend dazu äußern.“ Die Speerspitze soll deshalb lieber der DAV bilden.

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