Rauschgift

Drogencheck: Staatsanwalt setzt auf Apotheker

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Berlin -

Was tun, wenn besorgte Eltern mutmaßliche Drogen bei ihrem Kind entdecken und den Apotheker ihres Vertrauens um eine Untersuchung bitten? Die Pharmazeuten können gemäß Gesetz die verdächtige Substanz annehmen und zwecks Laboranalyse einschicken. Was viele nicht wissen ist, dass der Apotheker dabei keine polizeilichen Konsequenzen fürchten muss . APOTHEKE ADHOC hat mit Staatsanwalt Uwe Strewe von der Staatsanwaltschaft Erfurt und Apothekenleiter Jürgen Sawatzki von der Apotheke der LVR-Klinik Viersen gesprochen. Die Experten klären auf, wie und wo solche rauschgiftverdächtige Proben aus der Apotheke analysiert werden und wann sich der Apotheker strafbar machen könnte. Auch im LABOR ist das ein Diskussionsthema.

Jährlich sterben in Deutschland etwa 1300 Menschen in Folge illegalen Drogenmissbrauchs. Auch Jugendliche und junge Erwachsene konsumieren suchterzeugende Substanzen, die Gründe dafür sind vielfältig. Lehrer und Sozialarbeiter können entsprechende Tütchen beispielsweise auf Schultoiletten vorfinden. Eltern hingegen entdecken die Rauschmittel eher im Zimmer oder in der Schultasche ihrer Kinder. Sie können die verdächtigen Proben im Rahmen ihrer elterlichen Fürsorge in die Apotheke bringen und sich an die Arzneimittelexperten vor Ort wenden – auch ohne ihr Kind und die Polizei in den Fall einzubinden.

Staatsanwalt Strewe hält regelmäßig Vorträge an Schulen und gibt Jugendlichen sowie Lehrern Informationen zur Gesetzeslage im Sinne einer schulischen Prävention. Er spricht sich klar gegen eine Entsorgung über die Toilette oder die Mülltonne aus, da die Substanzen zum einen das Grundwasser erreichen und eventuell ein ökologisches Problem herbeiführen könnten. Zum anderen könnte dieses Verhalten in bestimmten Fällen als „Beweismittelunterdrückung” gewertet werden.

Für ihn sind Apotheken die erste Anlaufstelle. Eltern und Lehrer sollten sich in solchen Situationen an die Apotheken vor Ort wenden: „Apotheker sind verlässliche Partner. Sie sind dazu ermächtigt, aber nicht verpflichtet, die Drogen anzunehmen”, sagt Strewe. Die Drogen sollen dabei „auf direktem Wege” die Offizin erreichen; die Finder sollten die Rauschmittel beispielsweise nicht einstecken, mit nach Hause nehmen oder gar damit „spazieren gehen”. Denn sonst könnte ein Strafverfahren drohen. Das gelte auch für Apotheker. Aus seinem Berufsalltag sei ihm ein solcher Fall bekannt, erzählt er. Das Verfahren gegen den Pharmazeuten sei aber aufgrund mangelnder Beweise für die Eigennutzung eingestellt worden.

Wie sieht die gesetzliche Regelung hierzu aus? Im BtM-Gesetz (BtMG) heißt es unter den „Ausnahmen von der Erlaubnispflicht” nach § 4 Abs. 1 Satz 1e: „Einer Erlaubnis nach § 3 bedarf nicht, wer im Rahmen des Betriebs einer öffentlichen Apotheke oder einer Krankenhausapotheke [...] in Anlage I, II oder III bezeichnete Betäubungsmittel zur Untersuchung, zur Weiterleitung an eine zur Untersuchung von Betäubungsmitteln berechtigte Stelle oder zur Vernichtung entgegennimmt.” Entsprechend der Anlagen gilt dies auch für Rauschmittel wie Kokain, Lysergsäurediethylamid (LSD) und Methamphetamin (Crystal Meth).

Wenn der Apotheker alles korrekt macht, hat er nichts zu befürchten – sogar wenn er dieses Vorkommnis der Polizei mitteilt. „In solch einem Fall wird zwar zunächst ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet und auch der Pharmazeut wird zur Vernehmung eingeladen. Da Apotheker allerdings ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, wird das Verfahren eingestellt, wenn sie davon Gebrauch machen”, erklärt Strewe. „Apotheker spielen eine große Rolle in der Prävention. Ich wünsche mir, dass die gesetzliche Regelung zur Annahme und Weiterleitung von derartigen Proben innerhalb der Apothekerschaft bekannter wird.”

„Eine zur Untersuchung von Betäubungsmitteln berechtigte Stelle” im Sinne des Gesetzes war früher das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL). Dahin konnten Apotheker bundesweit verdächtige Proben einschicken, um Auskunft über die Identität der Substanz zu erhalten. „Allerdings untersucht das ZL schon seit einiger Zeit keine Proben mehr mit Verdacht auf Sucht- oder Rauschmittel”, erklärt Professor Dr. Mona Tawab, stellvertretende wissenschaftliche Leiterin des ZL.

Das Speziallabor für solche Proben ist heute in der Apotheke der LVR-Klinik Viersen angesiedelt, das sich auf solche Untersuchungen fokussiert hat. Leiter ist Jürgen Sawatzki, Fachapotheker für Toxikologie und Ökologie, der sich seit 25 Jahren diesem Thema gewidmet hat. Jährlich werden hier etwa 60.000 Urin- und Blutproben auf Arznei- und Suchtstoffe im Auftrag des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) analysiert. Zum Einsatz kommt dabei ein Gaschromatograph, der mit einem Massenspektrometer gekoppelt ist (GC-MS) sowie die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC).

„Wir untersuchen jährlich etwa 400 Asservatenuntersuchungen. Das sind Proben mit primär unbekannten Substanzen, darunter auch solche aus den Apotheken”, sagt Sawazki. Analysiert würden nicht nur Tabletten, Pulver und Lösungen, sondern auch „gebrauchte Taschentücher bei Verdacht auf Kokain, Kopfkissen, Getränke und sogar ein Stück Leberwurst zur Aufklärung der Vergiftung eines Haustieres”. Die Untersuchung erfolge dabei nach strengen Regeln: „Ankommende Briefe werden unter dem Abzug zu zweit geöffnet. Eine Person steht unter dem Abzug, die andere hält in ihrer Hand intravenös applizierbares Naloxon bereit – für den Notfall.”

Denn bei unbekannten Proben könnten auch stark wirksame Substanzen wie Carfentanyl enthalten sein, die für die Untersuchenden eine Gefahr darstellen könnten. Dieses Fentanyl-Derivat ist – je nach Testmethode und Labortier – bis zu 25.000-fach stärker wirksam als Morphin. Der Wirkstoff ist in der Anlage 1 BtMG aufgeführt und damit ein nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel. In Viersen kam der Opioidantagonist laut Sawazki glücklicherweise noch nie zum Einsatz.

Der analytische Schwerpunkt der Viersener Krankenhausapotheke liegt auf dem Drogenscreening. Pharmakologisch kann die angeforderte Analytik zur Aufklärung einer Intoxikation, dem Nachweis oder Ausschluss von Drogenkonsum oder einer Compliancekontrolle dienen. Dem Apotheker zufolge hat das Labor Zugriff auf mehr als 10.000 Referenzsubstanzen, damit können „alle definierten gängigen Arzneistoffe nachgewiesen werden”.

Analysiert werden dabei nur Arznei- und Suchtstoffe, aber keine Hilfsstoffe. „Wir überprüfen lediglich die Identität und nur in Ausnahmefällen die Qualität und Reinheit. Die Polizei bekommt generell keine Gehaltsangaben”, so der Fachapotheker. „Wir leisten hochethisch positive Arbeit und möchten nicht, dass unsere Analytik missbräuchlich für die Drogenszene genutzt wird.” Manche Proben werden laut dem Experten dabei nach der Analyse für die Staatsanwaltschaft zurückgelegt. „Die Proben aus der Apotheke hingegen müssen nach der Untersuchung innerhalb von ein bis zwei Wochen mit konzentrierter Schwefelsäure und anschließender Neutralisation sachgerecht vernichtet werden.”

Apotheken erhalten die Ergebnisse innerhalb einer Woche per Post, inklusive einer Rechnung in Höhe von 25 Euro. Zudem können sie für für weitere Rückfragen das Labor kontaktieren und beispielsweise Informationen zu den möglichen Verunreinigungen erhalten. „Proben von Kollegen aus der öffentlichen Apotheke sind mir lieber als Mütter, die die Proben selbst einschicken. Mit den Kollegen kann ich besser kommunizieren und diese wiederum mit ihrer Kundin, die vor ihr steht.”

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