Das Apothekenpersonal stand bei der Impfpriorisierung der Bundesregierung ziemlich weit hinten an. Auch bei der Auffrischimpfung erwartet Apotheker Dr. Ernst Rudolf*, dass die Politik keinen Fokus auf das pharmazeutische Personal setzen wird. Deshalb hat er sich bereits – dank guter Kontakte – eine Drittimpfung verabreichen lassen. „Fachlich spricht alles dafür“, betont er.
Rudolf ist Mitte 50 und will seine Identität lieber nicht preisgeben. „Ich weiß nicht, wie die rechtliche Lage ist“, sagt er. Denn aktuell gibt es nur für eine bestimmte Gruppe die Möglichkeit einer Auffrischimpfung. Darunter fallen beispielsweise Personen, bei denen nach einer vollständigen Impfung möglicherweise keine ausreichende oder eine schnell nachlassende Immunantwort vorliegt – insbesondere Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen oder Menschen mit Behinderungen sowie Personen mit einer Immunschwäche oder Immunsuppression sowie pflegebedürftige Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit und Menschen ab 80 Jahre. Auch Personen, die eine vollständige Impfserie mit einem Vektor-Impfstoff erhalten haben, will die Bundesregierung im Sinne einer gesundheitlichen Vorsorge eine weitere Impfung anbieten.
Der Apotheker kennt von Berufswegen her Ärzt:innen und ist in einem Impfzentrum tätig. An eine Dosis Covid-19-Impfstoff heranzukommen, war für ihn nicht schwer. Zudem könne aktuell jeder in ein Impfzentrum gehen, da es genug Dosen gebe und diese möglicherweise sogar verfielen. „Eine Auffrischimpfung ist sinnvoll“, betont er. Probleme, weil er sich erneut Comirnaty hat spritzen lassen, erwartet er nicht. „Ich lasse es darauf ankommen. Sollen sie es mir doch rausziehen.“ Zudem kenne er Kolleg:innen und PTA, die sich ebenfalls bereits dreimal impfen ließen – genauso wie Ärzt:innen. „Man redet nur nicht darüber. Von den Fachleuten zögert niemand.“ Er verweist auf Israel, wo der Booster bereits Menschen ab einem Alter von 40 Jahren angeboten wird.
Die Auffrischimpfung soll hierzulande mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech oder Moderna mindestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie durchgeführt werden. Bei Rudolf liegt die Impfung bereits acht Monate zurück. Er ist als Approbierter in einem Impfzentrum tätig und wurde deshalb frühzeitig geimpft. „Damals war die Zurückhaltung groß, weil viele Angst vor der Impfung hatten und noch abwarten wollten.“
Rudolf fühlt sich mit der dritten Impfung besser geschützt – insbesondere vor der Delta-Variante. „Wir Apotheker müssen uns um uns selbst kümmern“, sagt er. Das pharmazeutische Personal habe bei der Impfpriorisierung keine Rolle gespielt. „Das war von der Risikoeinschätzung her völlig falsch“, kritisiert er. Immerhin gingen gerade kranke Menschen in die Apotheken, weshalb dort das Risiko einer Infektion größer sei als im übrigen Einzelhandel. „Wir haben aber leider eine schlechte Lobby, ähnlich wie früher die Folterknechte oder Weber. Die Politik hat Angst, mit uns in Verbindung gebracht zu werden, dabei ist das völlig überholt.“
Mit Sorge betrachtet der Apotheker Pläne, die Hygiene- und Abstandsregeln zu lockern. Auch die momentane Impfmüdigkeit kann Rudolf nicht nachvollziehen und appelliert für eine Immunisierung. „Ich habe mit etlichen Leuten über die Nebenwirkungen gesprochen, die meistens im Rahmen einer Befindlichkeitsstörung liegen.“ Die ablehnende Haltung gegenüber der Immunisierung macht ihn sauer. „Alle müssen in Deckung bleiben, nur weil die Leute nicht geimpft sind.“
*Name von der Redaktion geändert
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