DocMorris wollte Desinfektionsmittel an Spahn verkaufen Patrick Hollstein, 07.02.2022 15:48 Uhr
Im Prozess um Millionenbetrüger Hendrik Holt taucht plötzlich der Name DocMorris auf. Lobbyist Benedict Pöttering hatte im Frühjahr 2020 offenbar versucht, beim damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Deal über Desinfektionsmittel einzufädeln. Die Spanne sollte demnach wohl mit der Versandapotheke geteilt werden. Darüber berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ).
Auf einem Datenträger, der im April 2020 bei der bundesweiten Razzia in Räumlichkeiten der Holt-Gruppe sichergestellt worden war, hatten Ermittler laut Bericht der NOZ eine Mail auf einem Datenträger entdeckt. Absender war Pöttering, Sohn von Hans-Gert Hermann Pöttering (CDU) und ehemaliger Hoffnungsträger der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union. Seit 2010 für Celesio tätig, wechselte Pöttering 2013 zu DocMorris. Zunächst Head of EU, trat er im Mai 2020 als Director Public Affairs bei DocMorris die Nachfolge von Max Müller an.
Doch offenbar war er im betreffenden Zeitraum als Lobbyist für Holt tätig. In wessen Namen Pöttering die Mail an Spahn schrieb, verrät der Bericht nicht. Laut NOZ war er zu diesem Zeitpunkt formell Aufsichtsratsvorsitzender einer angeblich in Gründung befindlichen Holt Energy Aktiengesellschaft. Der Firmenchef war entsprechend in Kopie gesetzt.
„Lieber Jens“, begann Pöttering seine Mail an Spahn, in der anbot, den Bund bei der Beschaffung dringend benötigter medizinischer Produkte zu unterstützen. Im Anhang befand sich laut NOZ die Aufstellung für einen Deal mit Desinfektionsmitteln, angeblich wie zuvor besprochen. „Dir einen lieben Gruß und weiter eine gute Hand in dieser schweren Zeit.“
Laut NOZ wurde im Lauf der Gerichtsverhandlung deutlich, dass Holt kurz zuvor offenbar für 2 Euro je Liter größere Mengen an Desinfektionsmittel in China organisiert hatte. Für etwa fünf Euro pro Liter sollte das Desinfektionsmittel an DocMorris verkauft werden, der Versender sollte es dann für knapp zehn Euro je Liter an den Bund weiterverkaufen. Diese Kalkulation hing laut NOZ offenbar der Mail an den Minister an.
DocMorris sprang an, überwies laut Bericht einen Millionenbetrag auf ein Holt-Konto in den Niederlanden. Als der Firmenchef im April 2020 festgenommen wurde, meldete sich Pöttering laut NOZ per SMS bei Holts flüchtigem Finanzdirektor Heinz L.: DocMorris habe sich mehrfach gemeldet. „Sollten das asap abräumen.“ Laut Bericht floss das Geld wohl zurück.
DocMorris will die Sache nicht kommentieren, man äußere sich weder zu Deals noch zu Mitarbeitern. Man könne aber bestätigen, dass Pöttering wieder für das Unternehmen arbeite.
Was laut NOZ in der Sache aber noch überrascht, ist die Kommunikation des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Unter Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz forderte die Redaktion bereits Monate vor dem Gerichtstermin Einsichtnahme in die „Korrespondenz mit und zu der Holt-Unternehmensgruppe sowie eine Übersicht etwaiger Termine oder Treffen mit Vertretern der Unternehmensgruppe ab 2018“.
Doch anders als das Wirtschaftsministerium liefert das BMG die E-Mails nicht; vielmehr hieß es, die „angeforderten Informationen“ lägen nicht vor. Stattdessen hieß es, weder mit der Versandapotheke noch mit Unternehmen der Holt-Gruppe seien Verträge über den Erwerb von persönlicher Schutzausrüstung geschlossen worden. Tatsächlich steht die DocMorris-Tochter Centropharm auf der Liste des Bundesrechnungshofs (BRH), wonach eine Million FFP2-Maske gekauft wurden.
Spahns Abgeordnetenbüro teilte laut NOZ mit, dass der Deal nicht zustande gekommen sei, da man keinen Bedarf für Angebote gegen Vorkasse mehr gehabt habe. Treffen zwischen den Beteiligten habe es nicht gegeben, auch telefonisch oder digital sei nicht kommuniziert worden. Holt hatte laut NOZ vor Gericht das Gegenteil behauptet.