DocMorris versenkt seine Versandapotheke APOTHEKE ADHOC, 06.07.2021 11:40 Uhr
DocMorris will zum Jahresende aufhören, eine reine Versandapotheke zu betreiben. Stattdessen sollen der heutige Webshop und die zugehörige App künftig komplett zu einer Plattform zusammengeführt werden. Unter der DocMorris-Domain finden Verbraucher dann nicht mehr nur die Versand-, sondern auch die zugehörigen Vor-Ort-Apotheken des Marktplatzes. Damit das Konzept aufgeht, braucht DocMorris allerdings deutlich mehr Partnerapotheken als bisher. So viele wie auf Gesund.de müssen es laut DocMorris-Deutschlandchef Walter Hess allerdings auch nicht sein – ihm gehe es um Qualität, nicht Quantität der Apotheken.
DocMorris Plus verliert sein Rechenzeichen: Künftig sollen alle Aktivitäten des Versenders unter der einheitlichen Marke DocMorris vereint werden. Die bisherige Konstellation aus Versandapotheke und Plattform DocMorris+ soll bis Ende dieses Jahres aufgegeben werden: Dann finden Verbraucher auf der Website von Docmorris nicht mehr nur einen Webshop, sondern die gesamte Bandbreite von Arzneimittelshopping über Telemedizin und Übertragung von E-Rezepten bis hin zu den Partnerapotheken der Plattform. Das bestätigte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage.
Die reine Versandapothekenseite hört damit formal auf zu existieren. Stattdessen würden alle Services und Angebote dann unter der Domain zusammengeführt. Aus Verbrauchersicht heißt das: Wer sich auf der Website oder in der App ein Arzneimittel aussucht oder ein E-Rezept einsendet, kann dann direkt wählen, ob das Medikament per Versand, Botendienst oder Abholung beliefert werden soll. Die Verbraucher können bei den Lieferoptionen entscheiden, ob sie den Botendienst der Vor-Ort-Partner nutzen wollen. Die jetzigen Partner-Apotheken von DocMorris+ würden dann eine Lieferoption sein, so der Sprecher. Zudem könnten die Verbraucher auch den Versand über die niederländische Online-Apotheke wählen. „Der Fokus liegt auf der DocMorris-Plattform-App.“
Optisch werde die Internetseite im Stil der neuen DocMorris-App gehalten sein. Es gebe eine einheitliche Frontseite. Mit dem integrierten Angebot wolle DocMorris einen kundenzentrierten, agilen Ansatz mit einem klaren Fokus auf eine optimale Kundenzentrierung verfolgen, erklärte Hess kürzlich vor Investoren. Soll heißen: Die Kunden haben alles an einem Ort und können die gesamte Bandbreite der angebotenen Leistungen mit ein paar Klicks erreichen, ohne zwischen alleinstehender Versandapotheke und Plattform wechseln zu müssen. Man könnte aber auch sagen: Durch die ohnehin bereits erfolgte Integration der Versandapotheke in die Plattform erübrigt sich deren alleinstehender Weiterbetrieb.
Ein Hauptziel des Parallelbetriebs aus Versandapotheke und der vergangenen Dezember eingeführten Plattform in diesem Jahr sei gewesen, Lieferoptionen zu testen und Erfahrungen mit der Lieferung am gleichen Tag zu sammeln. Zudem wollte man das Fundament des Partnerapotheken-Netzwerkes schaffen. Bis die Plattform unter der Marke DocMorris alle Angebote integriert, soll sie zudem einen neuen Namen bekommen: Aus DocMorris+ wird DocMorris Express, erklärte Hess gegenüber dem Handelsblatt. Allerdings können bisher nur wenige Verbraucher die Express-Funktion nutzen: Nur 35 Vor-Ort-Apotheken sind bisher auf der Plattform gelistet.
Das soll sich bald ändern, Hess hat große Pläne: DocMorris wolle so viele Partner gewinnen, dass 70 Prozent der Bevölkerung den Botendienst als Zustellungsart wählen können. Dafür brauche es knapp über 1000 Vor-Ort-Apotheken auf der Plattform, die natürlich geographisch auch entsprechend verteilt sein müssen. Dieses Ziel solle innerhalb von zwei Jahren erreicht werden, 60 weitere Apotheken kämen bald hinzu, bis Ende 2021 sollen es rund 200 sein. So gesehen ist DocMorris gegenüber der Vor-Ort-Konkurrenz von Gesund.de mit ihren 4000 Apotheken weit im Hintertreffen. Doch um die Zahl der Apotheken gehe es primär gar nicht. „Anders als gesund.de verfolgen wir nicht das Ziel, möglichst viele Apotheken auf unsere Plattform zu bringen – sondern die mit möglichst guten Angeboten und Services“, so Hess im Handelsblatt.
Ziel sei, mit dem neuen Konzept den eigenen Anteil am deutschen Rx-Geschäft von jetzt 1,4 Porzent massiv zu steigern. „Unsere Erwartung ist, dass wir einen Anteil von 10 Prozent innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre erreichen“, erklärte Hess im Juni gegenüber Investoren. Der Rx-Umsatz würde dann von jetzt 600 Millionen auf mindestens 4,3 Milliarden Euro steigen. Das wolle DocMorris aus eigener Kraft (und der der Partnerapotheken) schaffen, so Hess gegenüber dem Handelsblatt. Wie es mit der App „DocMorris Express“ weitergehen werde, könne aktuell nicht beantwortet werden.
Gerüchten über eine Übernahme von Shop Apotheke oder einer Kooperation mit Amazon erteilte Hess eine Absage. Um an möglichst viele E-Rezepte zu gelangen, muss der Versender bisher die Gematik-App umgehen und kann dazu nur auf die Scan-Funktion seiner App setzen. Eine wichtige Weichenstellung sollte jedoch dringend nach DocMorris‘ Vorstellungen kommen: Die Rechtsverordnung, mit der das Bundesgesundheitsministerium festlegt, wie und unter Freigabe welcher Daten Drittanbieter-Apps künftig E-Rezepte aus der Gematik-App importieren können, um eine medienbruchfreie Nutzung elektronischer Verordnungen zu ermöglichen. Hier zeigte sich Hess selbstbewusst: „Der Gesetzgeber wird den Wunsch der Kunden nach flexiblen Lösungen berücksichtigen. Es kann nicht alles durch einen staatlichen Trichter gehen.“