DocMorris-Test: „Ein Onlineshop, mehr nicht“ APOTHEKE ADHOC, 26.06.2020 14:54 Uhr
DocMorris ist Europas größte Versandapotheke und nennt sich selbstbewusst „Die Apotheke“. Aus Sicht der W&V, einer Fachzeitschrift für Kommunikation und Medien, ist das zumindest mit Blick auf den Internetauftritt der Zur Rose Tochter reichlich hochgegriffen. W&V hat die DocMorris-Homepage analysiert und unter anderem bei der Beratung der Kunden gravierende Mängel vorgefunden.
Markus Lucht von der United Digital Group (UDG), eine Agentur mit Schwerpunkt digitale Transformation, hat DocMorris unter die Lupe genommen. Untersucht wurde im Juni 2020, wie sich die Versandapotheke für den Nutzer anfühlt – die beinahe schon eingedeutschten Schlagwörter heißen Usability, Content Quality, Utility, Brand Perception und Joy of Use. In jeweils drei Unterkriterien gibt es maximal fünf Punkte zu ergattern. Aus den gemittelten Durchschnittswerten der Kategorien ergibt das Gesamtergebnis. DocMorris landet bei relativ enttäuschenden 2,4 von 5 möglichen Punkten.
Lucht ist aufgefallen, dass Docmorris noch über dem eigenen Logo eine „umfassende pharmazeutischen Beratung" verspricht. Doch die Funktion der pharmazeutischen Videoberatung sei enttäuschend, während des Tests schlichtweg nicht erreichbar. „Trotz vielfacher Kontaktversuche (natürlich werktags, zu verschiedenen Uhrzeiten innerhalb der Servicezeiten) war kein Berater erreichbar“, so das Ergebnis. Neben Hotline und Kontaktformular gebe es aber keine Alternativen wie Terminvereinbarungen oder einen Rückrufservice.
Bei der Produktbewertung fehlten den Testern die eigentlichen Kommentare anderer Nutzer. Die Produktempfehlungen „Kunden kauften auch“ erscheine willkürlich. So wurde im Test nach Lutschbonbons gegen Halsschmerzen gesucht, die Zusatzempfehlung lautete Augentropfen.
Bei der Benutzerfreundlichkeit (Usability: 2,7) gab es einen Abzug, weil DocMorris einen unterdurchschnittlichen Wert in Sachen Barrierefreiheit bekommt. Das Kontrastverhältnis der Texte sei zwar okay, einzelne Buttons mit weißer Schrift auf grünem Hintergrund bleiben aber hinter den Standards zurück. „Weder Kernelemente wie die Hauptnavigation, das Navigieren zwischen Produkten oder Slider-Elementen lassen sich mit der Tastatur bedienen.“ Dafür seien die Alt-Texte sind meist sinnvoll gepflegt. So Luchts erste Eindrücke.
Nachbessern sollte DocMorris dem Autor zufolge auch bei der Ladegewschwindigkeit der Seite. Das betraf im Test vor allem die mobile Seite, die zudem durch eine zu kleinteilige Darstellung negativ auffiel. „Obwohl auf der Website eine eigene Apotheken-App beworben wird, findet sich nicht für alle Geräte eine kompatible Version im Play Store (Testgerät: Huawei P20 Pro). Das ist nicht nur kommunikativ irreführend, sondern vergibt auch die Chance über die Verzahnung von Desktop-, Mobilewebsite und App eine nachhaltige Kundenbindung zu etablieren“, urteilt Lucht. Auch die User seien von der App nicht überzeugt, wie die überwiegend negativen Bewertungen zeigten. „Für die ‚größte Versand-Apotheke Europas‘ ist dies leider ernüchternd“, findet der Tester.
Noch schlechter schneidet DocMorris in der Kategorie Content Quality ab (2 Punkte). Ansprache und Tonalität seien gut, die „Themen“ aus der Hauptnavigation seien für den Nutzer dagegen weitgehend nutzlos und vermutlich aus SEO-Gründen dort. „Schade, denn gerade hier wäre eine Beratung und entsprechende inhaltliche Aufbereitung richtig platziert“, schreibt Lucht.
Bei Utility schneidet die Seite mit 3 Punkten besser ab, der Tester würden sich aber einen konsistenteren Einsatz der Farben grün und magenta wünschen. Die Produktsuche bleibt unbeanstandet, alternative Produkte oder Empfehlungen gebe es aber leider nicht. „Gerade bei allgemeinen Suchanfragen wie ‚Halsschmerzen‘ und den zahlreichen Treffern würden wir uns mehr Nutzerführung und Beratung wünschen.“
Der Kaufprozess sei dagegen „kompakt gehalten und klar in seinen Teilschritten“. Auch die Formulare für die Registrierung und den Bestellprozess funktionierten, könnten aber nutzerfreundlicher sein. So dürften die wenigsten Nutzer im voreingestellten Jahr 1921 geboren sein.
Die Wahrnehmung der Marke (Brand Perception: 2,3) wird eher abgestraft – zu wenig DocMorris. Lautet das URteil. Und auch die Freude an der Nutzung ist begrenzt (Joy of use: 2), da der Nutzer vergeblich innovative Services und Funktionen suche. „Trotz gesetzlicher Limitierungen im Umgang mit rezeptpflichtigen Medikamenten (Einreichen eines Originalrezepts per Post) verpasst DocMorris die Möglichkeit, Kunden interaktiv zu beraten und sich als führende Online-Apotheke zu positionieren“, schreibt Lucht.
Und so lautet das Fazit des Testers: „DocMorris – Ein Online-Shop, mehr nicht.“ Vom eigenen Anspruch „Die Apotheke“ sei der Versender ein gutes Stück entfernt. „Den größten Nachholbedarf sehen wir im Bereich der Online-Beratung und den Services, hier kann im Verhältnis zu Marktbegleitern noch zugelegt werden“, so das Fazit.