Die Vor-Ort-Apotheken haben die Arbeit, die Versender kassieren dann ab: So kommt es gerade vielen Apothekern vor, die unter Hochdruck kostenlose FFP2-Masken abgeben – und zwar auch an eine unbekannte Zahl von Kunden, die sonst mit Vor-Ort-Apotheken nichts am Hut haben. So erging es Inhaber Ulrich Schulte Herbrüggen aus Duisburg. Fast zumindest: Eine Kundin band ihm auf die Nase, dass sie ja sonst nur bei DocMorris bestellt. Also verweigerte er ihr die Abgabe. Die Kundin ging zur Lokalpresse und beschwerte sich, doch Schulte Herbrüggen steht zu seiner Entscheidung und erhält Rückendeckung von seiner Standesvertretung.
Bei seiner Abgabeverweigerung gehe es ihm nicht darum, eine Kundin abzustrafen, sondern schlicht um die Kalkulation, erklärt Herbrüggen: „Wir können nicht beliebig viele Masken abgeben, sondern die Vergütungspauschale bezieht sich auf die Zahl unserer abgegebenen Rx-Packungen und damit auf unsere Kundenzahl“, sagt der Inhaber der Duisburger Marien-Apotheke. „Wenn jetzt ein Kunde kommt, der zum Beispiel nur aus München zu Besuch ist und sonst nie zu mir kommt, kriegt er bei mir die Maske und der Kollege in München das Geld. Dabei lassen wir schon fünfe gerade sein. Natürlich geben wir auch Masken an jemanden ab, der nicht von hier ist.“ Das sei angesichts der Fluktuation in Deutschland auch überhaupt kein Problem – solang es in der Familie bleibt.
Die Hollandversender gehören aber nicht zur Familie. „Warum soll ich denn den Versandhandel unterstützen? Das ist mein direkter Gegner!“, sagt Herbrüggen. „Das wäre ja, als ob Amazon seinen Kunden Gutscheine geben würde und ihnen sagt, sie sollen damit in den stationären Handel gehen. Das würden die auch nie tun.“ Außerdem, so betont er: Er habe schon so viele Masken bestellt, wie er wirtschaftlich im Moment stemmen kann. „Wenn ich jetzt an lauter Menschen Masken abgebe, die sonst nur im Versandhandel bestellen, dann stehen am Ende vielleicht hundert echte Kunden vor mir, denen ich dann sagen muss: ‚Tut mir leid, wir haben keine Masken mehr.‘“
So ähnlich antwortete er auch am Donnerstag einer 68-jährigen COPD-Patientin, die kam, um ihre drei kostenlosen FFP2-Masken zu holen. Von sich aus habe sie gleich zu Beginn erklärt, dass sie ihre Arzneimittel normalerweise bei DocMorris bestelle und jetzt nur komme, um die kostenlosen Masken abzuholen. „Das habe ich ihr gesagt: ‚Es tut mir leid, ich bekomme für Sie keine Masken zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich damit am besten vertrauensvoll an DocMorris.‘“
Ärger habe er mit ihr daraufhin nicht gehabt. „Es war ein relativ kurzes Gespräch und es gab keinerlei Auseinandersetzung“, sagt Schulte Herbrüggen. Die Frau verließ die Offizin – ging aber zur Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und klagte dort über den Apotheker. Der wiederum verteidigte seine Haltung erhielt Rückendeckung vom Apothekerverband Duisburg/Niederrhein: „Andere Apotheken sind da vielleicht großzügiger“, räumt dessen Sprecher gegenüber der WAZ ein. „Und grundsätzlich ist es die Idee, dass wir Apotheker jeden mit den Gratis-Masken versorgen.“
Allerdings heiße es in der Schutzmaskenverordnung des Bundesgesundheitsministeriums auch explizit, dass die Abgabe an die anspruchsberechtigten Personen durch Apotheken in Deutschland „im Rahmen der Verfügbarkeit“ erfüllt werde. „Darauf kann sich der Kollege natürlich zurückziehen“, so der Verbandssprecher. Schulte Herbrüggen selbst geht sogar noch weiter: „Im Verordnungstext steht, dass es einen Ermessensspielraum gibt, und den habe ich genutzt.“
Dass die Frau mit 68 Jahren und einer COPD-Erkrankung zweifellos zur Risikogruppe gehört, ändere dabei nichts an seiner Entscheidung. „Wenn die Frau Masken hätte kaufen wollen, hätte ich ihr selbstverständlich so viele verkauft, wie sie braucht. Aber wenn jemand ganz gezielt sagt, ich will mit den deutschen Apotheken nichts zu tun haben, sondern unterstütze lieber ausländische Konzerne, dann sehe ich nicht ein, warum ich dem von meinem Einkommen Masken schenken soll.“ Andere Kunden scheint er damit nach eigenen Angaben nicht vergrault zu haben – im Gegenteil: „Ich habe seitdem reihenweise Rückmeldungen von Kunden erhalten, die sagen, dass ich das richtig gemacht habe.“
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