Temperaturfibel

Diese Apothekerin macht Kollegen hitzefest

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Berlin -

Der Sommer 2019 wartet wieder mit neuen Hitzerekorden auf. Temperaturen über 35 °C werden in den nächsten Tagen erwartet. Das stellt Apotheken vor besondere Herausforderungen, denn für die Lagerung der Arzneimittel gelten klare Temperaturvorgaben. Jede vierte Apotheke hat damit ihre Probleme, wie eine APOSCOPE-Umfrage unter PTA zeigt. Die Sensibilität für dieses Thema fehle in vielen Apothekern, sagt Linn Born. Die Pharmazeutin arbeitete im Qualitätsmanagement für einen Großhändler und ist nun als selbstständige Beraterin unter anderem in Hochschulen und Apothekerkammern unterwegs. In ihrem Buch „Temperaturfibel“ erklärt sie, was Apotheken bei der Lagerung ihrer Medikamente besser machen können.

ADHOC: Sie kommen aus einer Ärztefamilie, haben sich aber dennoch für ein Pharmazie-Studium entschieden. Warum?
BORN: Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Naturwissenschaften. Was mich an Pharmazie dann mehr gereizt hat als am Medizinstudium, waren die vielfältigen Möglichkeiten nach dem Studium. Man kann so viel machen: In die Apotheke gehen, in die Forschung, ins Qualitätsmanagement.

ADHOC: Und doch sind Sie am Ende ganz „klassisch“ in die Apotheke gegangen.
BORN: Es war eigentlich nie mein Ziel, in einer Apotheke zu arbeiten. Dass ich dann doch in der Offizin gelandet bin, hatte persönliche Gründe. Es ist für Apotheker vergleichsweise einfach, eine Stelle zu finden, gerade auf dem Land. Schon in dieser Zeit habe ich mich gefragt, ob bei der Temperaturüberwachung in der Apotheke alles gut läuft oder es andere Möglichkeiten der Temperaturüberwachung gibt als ein Min-Max Thermometer. Temperaturmessungen Pi mal Daumen entsprechen nicht dem Stand der Technik.

ADHOC: Das haben Sie zu Ihrem Thema gemacht und ein Buch geschrieben.
BORN: Nach meiner Zeit in der Apotheke fing ich an, für einen pharmazeutischen Großhändler im Qualitätsmanagement zu arbeiten. Meine Erfahrungen im Qualitätsmanagement im Umfeld der Good Distribution Practice und aus der Offizin habe ich genutzt, um Vorträge über die praktische Umsetzung von Temperaturüberwachung in der Apotheke zu halten – beispielsweise für die Landesapothekenkammern Thüringen und Bayern. Das Thema steht auf der Prioritätenliste der Apotheker nicht ganz oben, aber wenn man sich damit mal auseinandergesetzt hat, hat man lange etwas davon. Das ist auch das Feedback, das ich bekommen habe. Ich höre oft: Gut, dass es das Buch gibt!

ADHOC: Ihr Buch „Temperaturfibel“ behandelt gleich zu Beginn rechtliche Hintergründe. Sollte die nicht jeder kennen?
BORN: Die Lagerungsbedingungen für Medikamente sind in der Apothekenbetriebsordnung ganz klar geregelt. Eine Lagerung unterhalb von 25 Grad muss in der Apotheke möglich sein. Dass Arzneimittel, die im Kühlschrank gelagert werden, sensibel sind, ist den Apothekern bewusst. Für die Lagerung von Arzneimitteln bei Raumtemperatur fehlt zum Teil noch die Sensibilität. Fragen, beispielsweise welche Geräte optimalerweise genutzt werden sollten, sind oftmals noch offen. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass Arzneimittel kurzfristig nicht zu den geforderten Bedingungen gelagert werden. Besonders während der Auslieferung.

ADHOC: Sie behandeln auch besonders temperaturempfindliche Medikamente. Wie hoch ist deren Anteil in einer durchschnittlichen Apotheke?
BORN: Das lässt sich nur schwer bestimmen. Es gibt in Deutschland mehr als 100.000 zugelassene Arzneimittel. Wie viele davon temperaturempfindlich sind und in welchen Mengen sie wie lange in Apotheken lagern, ist kaum zu sagen. Letztlich spielt es aber keine Rolle. Apotheker sollten generell auf die Temperatur in der Offizin und im Lager achten und am besten alle Medikamente so lagern, als wären sie temperaturempfindlich. Das gilt nicht nur in den heißen Sommermonaten. Wenn die Nachtlieferung des Großhändlers im Winter stundenlang in einer schlecht isolierten Schleuse steht, ist dies ebenso problematisch für die Qualität der Arzneimittel.

ADHOC: Wie groß ist das Bewusstsein für die Thematik?
BORN: Es kommt darauf an. Auf meinen Vorträgen habe ich Apotheker erlebt, die sehr proaktiv nach Möglichkeiten der Verbesserung ihrer Lagerungsprozesse suchen. Andere sehen die Problematik nicht so sehr. Noch läuft es in vielen Apotheken nicht so wie bei den Großhändlern, wo sehr genau und nach strengen Vorschriften gearbeitet wird.

ADHOC: Können Kunden vor Ort in der Apotheke einschätzen, ob die Lagerung funktioniert und die Temperaturvorschriften eingehalten werden?
BORN: Nein, und das macht die Arbeit der Apotheker umso bedeutsamer. Im Supermarkt sieht der Kunde sofort, ob das Obst noch frisch oder ein Schokoriegel geschmolzen ist, weil er nicht richtig gekühlt wurde. In der Apotheke fehlt dieser „Druck“ von Kundenseite. Einer Tablette sieht man nicht an, ob sie noch wirkt. Bei Kunden fehlt auch in der privaten Handhabung das Wissen. Wie oft kommt es vor, dass Ibuprofen-Tabletten in einer Handtasche zwei Jahre mitgeschleppt werden? Hier ist es auch so, dass es in der Breite ein größeres Verständnis für die Empfindlichkeit von Arzneimitteln gibt, die im Kühlschrank gelagert werden müssen. Die Apotheker sollten beides tun: Sich und die Temperaturen in ihrer Offizin stärker selbst kontrollieren und die Kunden besser aufklären. Da gibt es noch großes Potenzial zur Weiterentwicklung.

ADHOC: Welche Kosten können Apothekern bei einer penibel ordnungsgemäßen Lagerung von Medikamenten entstehen?
BORN: Natürlich ist die Aufrüstung mit einem gewissen Aufwand verbunden. Die Isolierung der Schleusen oder der Einbau einer Klimaanlage können schnell ein paar Hundert Euro kosten. Zudem müssen an mehreren Stellen in der Offizin eine Temperaturüberwachung und das entsprechende Programm installiert werden, was neben einem Kostenaufwand mit einem Zeitaufwand für den Einbau und der Schulung der Mitarbeiter verbunden ist. Die Einsparungen, die dadurch im zweiten Schritt möglich sind, wenn die Mitarbeiter die Temperaturen nicht mehr von Hand dokumentieren, werden oft nicht gleich gesehen. Vor einer besonderen Herausforderung stehen natürlich Versandapotheken: Denn ehrlich, wie soll der Kunde einschätzen, ob die per Post verschickten Medikamente während der Auslieferung richtig gekühlt werden?

ADHOC: Welche Entwicklungen erwarten sie künftig auf dem Gebiet der Temperaturüberwachung?
BORN: Es gibt mehr Kontrollen und die Apotheker werden stärker in die Verantwortung gezogen. Das ist schon gut. Wenn der „regulatorische Druck“ noch etwas zunehmen würde, könnte sich die Priorisierung noch etwas verschieben. Das Thema wird mit immer heißer werdenden Sommern immer wichtiger, und das Interesse in der Branche nimmt zu. Es gibt gefühlt 50.000 Fortbildungen zum Thema Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Schulungen, wie Medikamente richtig gelagert und transportiert werden, sind da bisher eher nicht im Fokus. Ich denke, da kann und wird sich in Zukunft noch vieles bewegen. Ich werde jedenfalls nicht aufhören, den Apothekern zu sagen: „Ihr müsst eure Hausaufgaben machen.“

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