In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ist offensichtlich eine Diebin unterwegs, die mit einer besonders dreisten Masche Apotheken bestiehlt: Sie beginnt sich zur Ablenkung in der Offizin zu entkleiden und klaut dann Geld. Mindestens drei Apotheken hat sie so in den vergangenen Tagen ärmer gemacht.
„Wie verhält man sich denn als Mann, wenn sich eine fremde Frau vor einem entblößt?“, fragt Apotheker Bernd Nasilowski. „Natürlich bin ich etwas zurückgeschreckt und habe den Blick abgewendet.“ Genau das hatte die Diebin aber gewollt. Am frühen Donnerstagnachmittag war die vermeintliche Kundin in Nasilowskis Hirsch-Apotheke im niedersächsischen Bergen gekommen und hatte sich zuerst ganz normal verhalten. „Es fing alles mit einem Schnuller an, den sie gekauft hat“, erinnert er sich. Direkt danach begann sie noch an der Kasse, von angeblichen Schmerzen im Po zu klagen. Also verkaufte die PTA an der Kasse ihr eine Hämorrhoidensalbe.
Doch die wollte sie sofort wieder zurückgeben – und begann sich noch in der Offizin zu entblößen. Schnurstracks marschierte sie an der PTA vorbei in Richtung Backoffice, wo Nasilowski gerade saß und Geld zählte. Als er auf sie zuging, begann sie ihren Hintern gänzlich zu entblößen und immer wieder „Doktor, Doktor“ zu sagen. Nasilowski wich perplex zurück und warf sie aus der Apotheke. „Als sie raus war, fiel mir ein, dass das Geld auf dem Tisch lag, weil ich es sortieren, zählen und in den Tresor legen wollte.“ Doch das hatte da schon den Besitzer gewechselt. Einen vierstelligen Geldbetrag hatte sie mitgehen lassen. „Wir sind sofort hinterhergerannt und haben gesucht, aber sie nicht mehr gesehen“, sagt Nasilowski. „Wir gehen davon aus, dass sie einen Helfer hatte, denn die örtlichen Begebenheiten geben es eigentlich nicht her, so schnell zu Fuß zu verschwinden.“
Nasilowski ist sich sicher, dass es sich um dieselbe Frau handelte, die erst kurz zuvor die Medi-Apotheke in Iserlohn bestohlen hatte. Vorgehensweise und Täterbeschreibung stimmen nämlich überein – und das zuletzt auch im Fall der Pluspunkt-Apotheke in Hemer, einem Nachbarort von Iserlohn. Dort musste die Diebin allerdings nicht einmal bis ins Büro laufen. Am frühen Montagnachmittag klagte sie dort einer PTA von ihren vermeintlichen Schmerzen im Po. Auch sie verkaufte der Kundin eine Hämorrhoidensalbe, die sie diesmal mit einem 200-Euro-Schein bezahlte. Als die PTA die rund 190 Euro Wechselgeld zählte, begann die Frau sich zu entblößen.
Filialleiter Ahmad Fdahe schaute ebenfalls reflexmäßig weg und schmiss die Frau sofort raus. Den Moment der Verwirrung hatte sie da aber schon genutzt und sowohl die 200 Euro, mit denen sie bezahlt hatte, als auch die 190 Euro Wechselgeld heimlich eingesteckt. „Sofort danach fiel es mir ein und ich habe nach dem Wechselgeld geschaut, da war sie aber schon weg“, sagt er. „Das war auch unser Fehler, wir hätten das Geld sofort in die Kasse tun sollen.“ Die herbeigerufene Polizei wusste sofort Bescheid – eine ähnliche Masche wurde in der Region schließlich mehrfach in den vergangenen Tagen beobachtet. „Danach habe ich dann auch davon gelesen, da war es aber zu spät“, sagt Fdahe.
Immerhin gibt es mittlerweile etwas Hoffnung. Denn bisher sah es schlecht aus für eine Identifizierung der Frau: In den Apotheken trat sie stets mit Kopftuch, großer Brille und Mundschutz auf – viel zu beschreiben gab es also bisher nicht. Doch offenbar beschränkt sich ihr Beuteschema nicht auf Apotheken. „Einen Ort weiter gab es in einem anderen Geschäft auch so einen Fall, bei dem wir als Apotheke und die Kripo sicher sind, dass es dieselbe Person ist“, sagt Nasilowski. Dort habe sie allerdings kein Kopftuch getragen, sodass die Polizei nun versuche, mit Phantombildern nach ihr fahnden zu lassen.
Bis dahin müssen Apotheken mit den bisher bekannten Fakten als Warnung hinkommen. Alle Opfer beschrieben bisher, dass die Frau offenbar kaum Deutsch spricht – sie habe meistens nur „Doktor, Doktor“ oder „Schmerzen, Schmerzen“ gesagt. Woher sie stammt, wagt sich allerdings niemand einzuschätzen. Fdahe vermutet nur eine südeuropäische Herkunft. Und die Sprache bietet auch keine Anhaltspunkte. „Ihren Akzent kann ich auch nicht zuordnen“, sagt Nasilowski. „Deutsch und Englisch konnte sie auf gar keinen Fall, mit beiden Sprachen haben wir es versucht. Von ihr kam gebrochen zurück, eventuell Französisch, aber das was sie da gesagt hat, war nach meiner Auffassung kein Französisch. Das hatte ich in der Schule und hätte zumindest etwas verstanden.“ Immerhin ihre Kleidung sei auffällig gewesen: In der Hirsch-Apotheke trug sie ein gelbes T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin heute so gut drauf“, wie sich Nasilowski erinnert: „Danach war sie ganz bestimmt gut drauf“, sagt er.
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