Soll in Apotheken geimpft werden? Und wollen die Inhaber:innen und ihre Teams überhaupt? Bei der APOTHEKENTOUR in Berlin erklärte Gence Polat aus Köln, warum er so große Hoffnungen in diese neue Aufgabe setzt. Und Apothekerin Jana Kreissl berichtete, dass sie sich sogar gegen ihren Chef stellen musste, um Impfungen anbieten zu können.
Polat ist Inhaber zweier Apotheken in Köln und nahm schon am Modellprojekt für Grippeimpfungen in Nordrhein teil. Als in den Apotheken dann auch gegen Covid geimpft werden durfte, installierten seine Frau und er mangels Platzes in den Apothekenräumlichkeiten sogar eine „Impfbox“. „Das Angebot sollte so niederschwellig wie möglich sein“, so Polat, alle Mitarbeiter:innen seien entsprechend geschult worden.
Kreissl ist angestellte Apothekerin in Berlin und half dort auch in einem Impfzentrum bei der Vorbereitung der Covid-Impfungen aus: „Das war mein Beitrag in der Pandemie und mir war klar: Ich kann aber auch impfen und ich will das“, sagt sie. Im Grunde habe sie damit ein neues Aufgabenfeld für sich als Apothekerin entdeckt. Deshalb wollte sie das Angebot auch in der Apotheke fortführen, obwohl ihr Chef zuerst dagegen war. „Das ist dann dein Ding“, habe er zu ihr gesagt, inzwischen habe er seine Meinung aber geändert und sei sehr stolz. „Ich habe angefangen mit einem festen Impftag, an dem ich nach den regulären Öffnungszeiten geimpft habe.“ Das sei von den Patient:innen sehr begrüßt worden.
„Inzwischen ist es das Aushängeschild unserer Apotheke, wir haben sehr gute Resonanz und dadurch eine viel engere Kundenbindung“, so Kreissl. Der Patientennutzen und die Zeitersparnis sorge für positive Rückmeldungen, außerdem spreche sich das Angebot herum: „Wir erreichen dadurch auch ganz andere Kundengruppen als sonst“, berichtet sie. Die Impfquoten könnten dadurch erhöht werden. Impfen sei auch eine Möglichkeit, den Beruf der Apotheker:innen wieder weg vom Schubladenzieher zu entwickeln. „Impfen ist keine Heilkunde, sondern trägt zur Prävention dabei“, so Kressl.
Auch andere Impfungen wie zum Beispiel gegen FSME sind für Patient:innen in der Regel mit hohem Aufwand verbunden, berichtet Christian Popien von No-Q aus eigener Erfahrung: Erst aus der Praxis das Rezept zu holen, den Impfstoff dann in der Apotheke zu bestellen, abzuholen, zur Praxis zu bringen und eventuell noch einen weiteren Termin für die Impfung wahrnehmen zu müssen – all das schrecke entsprechend ab.
Die Impflücken bei FSME sind groß, inzwischen ist fast die Hälfte Deutschlands als Risikogebiet ausgewiesen. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) könnte eine bessere Impfquote viele Erkrankungen verhindern: „Die Mehrzahl (98 Prozent) der 2022 übermittelten FSME-Erkrankten war gar nicht oder unzureichend geimpft, das heißt die Grundimmunisierung war unvollständig oder Auffrischimpfungen fehlten. Ein hoher Anteil der auftretenden FSME-Erkrankungen könnte wahrscheinlich durch eine Steigerung der Impfquoten insbesondere in Risikogebieten mit hoher FSME-Inzidenz verhindert werden. Es sollte insbesondere in Kreisen mit hoher FSME-Krankheitslast verstärkt über den Nutzen einer FSME-Impfung aufgeklärt werden.“
Bislang ist die FSME-Impfung in Apotheken nicht möglich, aber sie könnten ein niedrigschwelliges Angebot bieten – nicht nur für FSME, sind Kreissl und auch Polat überzeugt. Laut Polat könnte das Impfen auch als pharmazeutische Dienstleistung (pDL) implementiert werden: „Die Beratung findet sowieso schon in der Apotheke statt, warum sollte man nicht auch das Angebot an derselben Stelle platzieren“, fragt er. Die Zukunft liege in der impffähigen Apotheke, „wenn ich eine neue Apotheke bauen würde, würde ich immer auch einen Impfraum schaffen“, so Polat. Das biete große Chancen für Neukundengewinnung berichtet er aus eigener Erfahrung: „Das Angebot spricht sich in Familien herum, aber wir haben auch schon kleinere Unternehmen oder Freundesgruppen komplett durchgeimpft“, erzählt er.
Auch Pflegeheime durchzuimpfen wäre denkbar, während der Pandemie sei dies schon teilweise umgesetzt worden. Allerdings gibt es beim Engagement bezüglich Impfungen in Apotheken deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Kammerbezirken: Während sich Nordrhein sehr dafür einsetze, erfuhr Kreissl laut eigenen Aussagen aus Berlin und Brandenburg nur wenig Unterstützung. Aus den geltenden Ausnahmen sollten ihrer Meinung nach Regeln werden, „die neue Arztgeneration ist auch viel offener dafür“, berichtet sie. Polat bestätigt das: „Unsere Ärzt:innen haben die Unterstützung begrüßt, da wir eine ganz andere Patientengruppe abdecken als die, die sich sowieso in der Praxis impfen lässt.“ Das biete ein erweitertes Impfspektrum, gerade bei den Grippeimpfungen gebe es sehr viele Erstimpflinge.
Kreissl würde es auch begrüßen, wenn die entsprechende Kenntnisschulung zu Impfungen schon Teil des Studiums werden würde. „Norwegen ist dafür ein gutes Beispiel, wo das schon so gemacht wird und funktioniert.“ In Norwegen tragen die Apotheken viel dazu bei, die Impfquoten bei Grippeimpfungen zu erhöhen.
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