Es gab deutliche Hinweise, dass es eine illegale Absprache über Rezeptzuweisung zwischen dem Apotheker und einer Firma gab, die gesammelte Verordnungen mehrerer Ärzte an ihn weitergeleitet haben soll. Es geht um sieben Millionen Euro, die aus Sicht der Staatsanwaltschaft zu Unrecht abgerechnet wurden. Vor dem Landgericht Nürnberg wurde zunächst darüber gestritten, welche der beschlagnahmten Unterlagen verwendet werden dürfen. Die Richter erlaubten „Zufallsfunde“ in großem Umfang und stützten weitestgehend die Position der Generalstaatsanwaltschaft.
Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg führt gegen den Apotheker ein Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrugs. Über eine Firma, die Medizinprodukte zur Einnahme von Arzneimitteln vertreibt, soll er sich von Ärzten absprachegemäß Verschreibungen zuweisen haben lassen – ein Verstoß gegen § 11 Apothekengesetz (ApoG). Die Medikamente seien daher gegenüber den Krankenkassen nicht abrechenbar – was der Apotheker aber natürlich getan und die Kassen entsprechend geschädigt hatte.
Die statistischen Auswertungen der Krankenkassen und eine Stellungnahme der Firma begründeten aus Sicht des Gerichts den Anfangsverdacht. Und so fand am 27. Oktober 2021 die große Durchsuchung in der Apotheke und der Privatwohnung des Apothekers statt. Dabei wurden auch zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt. Zu viele, wie sein Verteidiger bemängelt. Denn im Durchsuchungsbeschluss war nur von einem Verdachtszeitraum von Oktober 2016 bis Ende 2018 die Rede.
Im Rahmen der Durchsuchung war jedoch schnell klar geworden, dass die vorgeworfenen Absprachen auch 2019 und quasi bis zum Zeitpunkt der Ermittlungen fortgeführt wurden. Eine vor Ort befragte Mitarbeiterin der Apotheke hatte entsprechend ausgesagt. Also wurden auch aktuellere Unterlagen mitgenommen sowie Ordner aus früheren Zeiträumen. Die Verteidigung forderte die Herausgabe dieser Asservate, hatte damit aber nur zu einem kleinen Teil Erfolg.
Eigentlich sind die Ermittlungsbehörden streng limitiert und dürfen nur beschlagnahmen, was vom Durchsuchungsbeschluss gedeckt ist. Da sechs Polizeibeamte und eine Staatsanwältin tätig waren und die Durchsuchung sechseinhalb Stunden dauerte, hätten die Ermittler aus Sicht des Gerichts auch vor Ort prüfen können, ob beispielsweise Akten in falsch beschrifteten Ordnern verwahrt wurden – was hier offenbar nicht der Fall war.
Trotzdem war die Mitnahme der Dokumente aus Sicht des Landgerichts zulässig, weil es sich um sogenannte Zufallsfunde handelte, die einstweilen in Beschlag genommen werden konnten. Denn es habe während der Durchsuchung Hinweise darauf gegeben, dass weitere Straftaten begangen worden sein könnten – nämlich ein mutmaßlicher Betrug ab 1. Januar 2019 bis zum Durchsuchungstag. Laut Vermerk der Staatsanwältin habe die Zusammenarbeit des Apothekers mit Firma offensichtlich bis zur Durchsuchung angedauert. Der Tatverdacht habe sich zeitlich erweitert.
Bei der Durchsuchung im Büro der Apotheke war zudem ein Kassenbeleg über die zehnmalige Abgabe eines der Medikamente gefunden worden. Die Apothekenmitarbeiterin K wurde, mit einer Pause, zwischen 9.45 und 11.15 Uhr von der Staatsanwältin und einem Polizeibeamten als Zeugin und vernommen. Aus der Vernehmung ergebe sich, dass die mutmaßliche Zuweisung andauerte. Danach gebe es ein Betreuungsprogramm mit der Firma, die einen Patientenstamm betreffe, heißt es im Urteil.
Dokumente, die augenscheinlich die Jahre 2013 und 2015 betrafen, durften dagegen für die weitere Sichtung nicht mitgenommen werden. Diese Unterlagen waren somit herauszugeben. Unspezifisch beschriftete Ordner – zum Beispiel „Rechnungen“ – oder Dokumente, die sich in Umschlägen oder Tüten befanden, durften die Ermittler dagegen mitnehmen. Ebenso konnten Datenträger als möglicherweise beweisrelevant angesehen werden.
Und überhaupt wollten die Richter nicht allzu kleinteilig über die Verhältnismäßigkeit der Mitnahme streiten. Zum einen beträfen die mitgenommenen Ordner bereits abgerechnete Geschäftsvorfälle, sodass der laufende Apothekenbetrieb nicht erschwert würde. Zum anderen sei das Verhältnis zum Tatvorwurf zu beachten: „Es geht vorliegend nicht um ‚peanuts‘, sondern um einen möglichen Betrugsschaden von über sieben Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund sind die ergriffenen Maßnahmen nicht überzogen“, so das Gericht.
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