Die Würde des Apothekers Alexander Müller, 25.03.2019 14:53 Uhr
Der Apotheker hatte seine Software manipuliert und auf diese Weise jahrelang Steuern hinterzogen. Er hat zwar allen Schaden beglichen, aber erfolglos gegen den Entzug seiner Betriebserlaubnis geklagt. Als angestellter Apotheker darf er weiter arbeiten, seine Klage gegen den Entzug der Approbation hatte nämlich Erfolg. In der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung führt das Verwaltungsgericht Aachen aus, warum Apotheker aber grundsätzlich anders behandelt werden dürfen als Geschäftsführer einer GmbH.
Der Apotheker aus Düren hatte in seiner Warenwirtschaft eine Manipulationssoftware verwendet. Das Amtsgericht Aachen hatte ihn im März 2017 wegen Steuerhinterziehung in Höhe von knapp 240.000 Euro zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Doch als Apotheker kann man noch auf andere Weise zur Rechenschaft gezogen werden. Das Verfahren um den Entzug der Betriebserlaubnis ist noch nicht abgeschlossen. Noch härter, da einem Berufsverbot gleichkommend – ist der Entzug der Approbation. Das VG Aachen sah die Voraussetzung dafür nicht als erfüllt an.
Bei der Frage der Berufsunwürdigkeit ist auch entscheidend, in welchem Lebensbereich – beruflich oder privat – die Verstöße jeweils stattgefunden haben. Der Apotheker hatte nicht nur seine Umsatzsteuer mit der Manipulationssoftware verkürzt, sondern auch Kapitalerträge im Ausland nicht beim Fiskus angegeben. Im Strafverfahren war er geständig, das Amtsgericht hatte zudem eine günstige Sozialprognose ausgestellt. Die Bewährung endet am kommenden Mittwoch.
Die Aufsicht hatte den Entzug der Approbation mit Ausmaß und Dauer der Steuerhinterziehung begründet. Die Verwendung von Manipulationssoftware zeige zudem ein gewisses Maß an krimineller Energie. Der Apotheker hielt in seiner Klage dagegen, dass der Begriff „Unwürdigkeit“ völlig unbestimmt sei und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Gegenstand des Strafverfahrens seien weder die Verletzung der Pflichten des Klägers als Apotheker noch die Gefährdung von Menschen gewesen. Das Berufsverbot stelle eine unzulässige Doppelbestrafung dar.
Aus Sicht des VG Aachen bewegten sich diese Verstöße nicht im Kernbereich der berufsrechtlichen, sondern im Bereich der gewerberechtlichen Pflichten und teilweise im privaten Bereich (Nichtdeklarierung von Kapitalvermögen). Mit dem Widerruf der Betriebserlaubnis habe die Aufsicht dafür gesorgt, dass der Betrieb einer Apotheke durch den Kläger ausgeschlossen ist. Dass er als angestellter Apotheker künftig die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachtet, befürchten die Richter aber nach Lage der Dinge nicht.
Von einer generellen Berufsunwürdigkeit wollte das VG Aachen nicht ausgehen. Anders als vom Apotheker vorgetragen, verstoße die entsprechende Vorschrift der Bundes-Apothekerordnung (BApO) aber nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Die Richter widersprechen dem Apotheker darin, „der Begriff der Würde im Zusammenhang mit Berufsverboten sei überholt und verfassungswidrig, weil dieser auch in anderen Berufen – wie etwa bei einem Geschäftsführer einer GmbH – keine Rolle spiele“. Denn diese Sichtweise verkenne wesentliche Unterschiede zwischen einer rein gewerblichen und einer freiberuflichen Tätigkeit in Berufszweigen mit besonderem Auftrag für die Gesundheitsfürsorge wie Ärzte und Apotheker.
Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit sei jedoch an hohe Voraussetzungen geknüpft. Das gilt vor allem für Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises. Diese müssen zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, der den Apotheker als untragbar erscheinen lässt. „Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, ist der im Entzug der Approbation liegende, sehr schwerwiegende Eingriff in die Berufsfreiheit sachlich gerechtfertigt, ohne dass es noch einer zusätzlichen Auseinandersetzung mit individuellen Umständen, wie dem Alter des Betroffenen und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit, bedarf“, heißt es im Urteil.
Unwürdig als Apotheker ist, wer nicht mehr das erforderliche Ansehen und Vertrauen genießt und dadurch den Beruf schwer belastet. Ein konkret in der Öffentlichkeit bereits eingetretener Ansehensverlust ist nicht erforderlich. Von einem Apotheker werde „nicht nur eine sorgfältige und ordnungsgemäße, sondern eine auch sonst in jeder Hinsicht integre Berufsausübung erwartet“, so die Richter. Der Widerruf der Approbation stelle keine weitere Bestrafung dar, sondern sei „eine Maßnahme der Abwehr von Gefahren, die von der Tätigkeit eines unzuverlässigen oder zur Berufsausübung unwürdigen Approbationsinhabers ausgehen“.
Vor diesem Hintergrund nahmen die Richter die Straftaten des Apothekers in den Blick, die nicht gemeingefährlichen oder gegen Personen gerichtet waren. Auch zu berücksichtigen sei, dass den Vertretern der Heilberufe „heute nicht mehr eine in jeder Beziehung integre Lebensführung als Berufspflicht auferlegt wird“. Die vom Apotheker begangenen Straftaten seien nicht von einer solchen Schwere und einem solchen Unrechtsgehalt geprägt, dass sie die äußerste Maßnahme gegen einen Apotheker rechtfertigten, so die Begründung.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Apotheker und Patient beziehe sich in erster Linie auf die gesundheitliche Beratung, die von einem Apotheker erwartet werde. „In vermögensrechtlicher Hinsicht dürfte die Vertrauenserwartung der Bevölkerung an einen Apotheker eher gering, jedenfalls deutlich nebensächlich sein“, meinen die Richter.