Sechs Wächter für die Preisbindung Patrick Hollstein, 01.10.2021 14:01 Uhr
Verstöße gegen die Rx-Preisbindung im GKV-Bereich können seit Inkrafttreten des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) mit empfindlichen Strafen belegt werden. Für die Überwachung zuständig ist eine Paritätische Stelle, der je drei Mitglieder von GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband (DAV) angehören. Das Prozedere wurden in einer neuen Anlage zum Rahmenvertrag festgehalten. Die Kassen, die schon in der Vergangenheit kaum Interesse gezeigt hatten, halten sich dabei eine Hintertür offen, um nicht wegen falscher Entscheidungen belangt zu werden.
Laut § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkung hat, bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen „zur Einhaltung der [...] festgesetzten Preisspannen und Preise verpflichtet und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren“. Bei „einem gröblichen oder einem wiederholten Verstoß“ drohen Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro pro Verstoß und maximal 250.000 Euro. Außerdem kann die jeweilige Apotheke bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe von der Versorgung ausgeschlossen werden.
Zuständig ist demnach eine paritätisch besetzte Stelle, über die sich GKV-Spitzenverband und DAV im Rahmenvertrag geeinigt haben: Kassen und Apotheker entsenden je drei Vertreter, für die jeweils auch Stellvertreter benannt werden. Den Vorsitz übernimmt eine Vertreterin oder ein Vertreter des DAV; er oder sie leitet das Verfahren und an seine Weisungen ist die Geschäftsstelle gebunden, die ebenfalls beim DAV angesiedelt ist.
Mehrheit entscheidet
Das Verfahren wird auf schriftlichen Antrag einer der beiden Seiten eröffnet. Die Verstöße sind zu erläutern und zu dokumentieren. Die Geschäftsstelle leitet den Antrag allen Mitgliedern zu, die innerhalb einer Frist von zehn Werktagen nach Zugang nach pflichtgemäßem Ermessen über die weiteren Schritte entscheiden: Sind die Mitglieder mehrheitlich der Auffassung, der Antrag sei unbegründet, endet das Verfahren ohne Sanktion. Ist zumindest die Hälfte der Mitglieder der Auffassung, dass der Antrag begründet ist, verständigen sie sich über die Art und den Umfang der zu verhängenden Sanktion. Besteht darüber keine Einigkeit und gibt es keine Mehrheit, wird die höhere Sanktion ausgesprochen, für die sich zumindest die Hälfte der Mitglieder ausspricht.
Die betroffene Apotheke wird über das Verfahren und die beabsichtigte Sanktion schriftlich informiert und erhält Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb von zehn Werktagen. Diese müssen die Mitglieder innerhalb von einem Monat prüfen und eine Entscheidung treffen, die zu begründen ist. Die Entscheidung entfaltet ab dem Tag des Zugangs bei der betroffenen Apotheke Rechtswirksamkeit.
Alle Mitglieder der Paritätischen Stelle sind verpflichtet, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Sitzungen und Abstimmungen können sowohl in Präsenz, virtuell oder kombiniert stattfinden, alle sechs Mitglieder oder ihre jeweiligen Stellvertreter müssen bei Entscheidungen anwesend sind. Alle Abstimmungen erfolgen offen. Enthaltungen sind nicht zulässig. Fristen können bei Bedarf unter Angabe von Gründen verlängert werden.
Haftung nach Abstimmung
Das Haftungsrisiko tragen der GKV-Spitzenverband und der DAV je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder, die den Antrag für begründet halten und die sich zugleich für die konkrete, gegenüber der Apotheke verhängten oder eine höhere Strafe ausgesprochen haben.
Personal- und Tagungskosten tragen beide Seiten zu gleichen Teilen. Die Geschäftsstelle erhält für die organisatorische Vorbereitung eines Verfahrens und für die Durchführung eines Verhandlungstermines jeweils eine Pauschale in Höhe von 350 Euro, die bei besonderem Aufwand gemäß Festlegung durch den Vorsitzenden und im Benehmen mit den Mitgliedern erhöht werden kann. Bei mündlichen Verhandlungsterminen bei GKV-Spitzenverband oder DAV werden Tagespauschalen von 250 Euro für die Raummiete und 200 Euro für die Bewirtung berechnet. Bei externen Terminen werden die tatsächlich angefallenen Kosten abgerechnet.
Etwaige Kosten für Rechtsanwälte, Sachverständige oder andere Berater trägt jede Seite für sich oder werden bei Mehrheitsbeschluss geteilt. Folgekosten wie Gerichtskosten tragen GKV-Spitzenverband und DAV je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder. Reisekosten sind nicht erstattungsfähig.
Wird eine Vertragsstrafe gezahlt, wird diese vorrangig zur Bestreitung der Kosten verwendet. Alle darüber hinaus verbleibenden Mittel werden nach Ablauf eines Jahres für eine gemeinnützige Organisation gespendet, über die ebenfalls abgestimmt wird.
Archivbeitrag vom 1. Oktober 2021