Apotheker, schmeißt das Tipp-Ex weg: Die AOK Hessen ist gerade mit dem Rotstift unterwegs und zwar wenn es um mit Tipp-Ex korrigierte Rezepte geht. Aktuell erhalten Apotheken im mitteldeutschen Bundesland Retaxationen von Verordnungen, die im zweiten und dritten Quartal 2018 beliefert wurden. Die Korrektur, die beispielsweise nach einem Fehldruck vorgenommen werden muss, ist bereits seit 2012 in der Technischen Anlage 2 verankert.
„In der Tat retaxiert die AOK Hessen derzeit Verordnungen, in denen Änderungen unzulässigerweise unter Zuhilfenahme einer Korrekturflüssigkeit vorgenommen worden sind“, teilt die Kasse mit. Zur Größenordnung will der Kostenträger keine Angaben machen. Weiter heißt es: „Wir bedauern, uns zu diesem Schritt gezwungen zu sehen und wissen durchaus, dass Retaxationen für Apotheken im Einzelfall eine große Belastung darstellen können.“ Trotzdem – die Retaxationen seien unumgänglich. „Allerdings sind wir gehalten, eine höchstmögliche Datenqualität und -sicherheit zu gewährleisten und werden daher in der Abrechnungsprüfung auch weiterhin verstärkt auf Verordnungen achten müssen, die offenkundig und unter Verdeckung des ursprünglichen Inhaltes verändert wurden.“
Schließlich handele es sich bei Rezepten um „Dokumente“. „Eigenständige Änderungen durch die Apotheke sowie Unkenntlichmachungen von Veränderungen (zum Beispiel mit Korrekturflüssigkeiten) sind grundsätzlich nicht zulässig und können gegebenenfalls sogar eine Fälschung des Dokumentes darstellen“, so ein Sprecher der Kasse.
Retaxiert werden sowohl Änderungen im „Datumsfeld“ als auch im „Taxfeld“. Vereinzelt sollen sogar die von den Praxen auf der Verordnung angegebenen Pharmazentralnummer mit Korrekturflüssigkeit verdeckt worden sein. „Auch solche Verordnungen wurden von uns retaxiert.“ Dass es zu Retaxationen kommen werde, war abzusehen. „Über dieses Vorgehen haben wir auch immer größtmögliche Transparenz hergestellt und den Hessischen Apothekerverband mehrfach auf die Problematik hingewiesen.“ Dabei sei „die Zuhilfenahme einer Korrekturflüssigkeit überhaupt nicht nötig.“ Fehldrucke könnten in der Apotheke selbstverständlich korrigiert werden, bei Korrekturen im Taxfeld sei das Spezialetikett zu verwenden. „Solche Änderungen sind ausdrücklich zulässig und leicht umzusetzen.“ Bei Korrekturen des Abgabedatums empfiehlt die Kasse folgendes. „Sind etwa Korrekturen im Bereich des Abgabedatums notwendig, ist der Fehldruck so durchzustreichen, dass die ursprüngliche Angabe noch lesbar ist. Das korrekte Abgabedatum muss anschließend gut leserlich und zusammen mit einem handschriftlichen Vermerk neben dem Fehldruck ergänzt werden.“
Gemäß der Technischen Anlage 2 sollen Apotheken seit Februar 2012 im Falle einer notwenigen Korrektur im „Apothekenfeld“ das vorgeschriebene Spezialetikett verwenden. Für den Aufkleber gibt es strenge Vorgaben. So müssen die rosafarbenen Klebeetiketten eine Größe von 5,1 x 5,6 und eine geschwärzte Innenseite haben. So ist ein Durchscheinen des Fehldrucks beim Scannvorgang im Rechenzentrum nicht möglich. Korrekturaufkleber müssen unabtrennbar mit der Verordnung verbunden sein, heißt es in den Vorgaben. Dennoch sorgten die beklebten Verordnungen bei den Rechenzentren immer wieder für Probleme, wenn beim automatisierten Scannen die Rezepte „kleben“ blieben.
Der Sticker muss IK-Nummer, Zuzahlung, Gesamtbrutto und die drei Taxzeilen für Arzneimittel, Hilfsmittel und Heilmittel-Nummer und den Faktor verdecken. Die Felder BVG, Hilfsmittel, Impfstoff, Sprechstundenbedarf und „Begr. Pflicht“ neben der IK-Nummer müssen frei bleiben. In der Vergangenheit existierten Etiketten, die die gesamte Fläche abdeckten. Aber einfach nur das Etikett aufkleben und bedrucken, reicht nicht. „Der Aufkleber ist von der Apotheke unten rechts über die Ecke des Aufklebers und gleichzeitig auf das Verordnungsblatt gehend mit zu signieren (Handzeichen)“, verlangt die Technische Anlage. Eine vergessene Signatur ist eigentlich kein Retaxgrund und kann nachgetragen werden.
In der Praxis sieht die Korrektur meist anders aus – Tipp-Ex raus und losgerollt. Dass das nicht zulässig ist, ist der Technischen Anlage 2 Abrechnungsvereinbarung § 300 Sozialgesetzbuch (SGB-V) zu entnehmen. Die AOK Hessen retaxiert getippexte Korrekturen auf Null. Mit der Begründung, dass es sich um kein zulässiges Korrekturhilfsmittel handelt. Dabei ist es egal an welcher Stelle das Tipp-Ex benutzt wurde. Ob zur Korrektur eines Fehldrucks der PZN oder auch des Druckdatums – wenn das Abgabedatum falsch oder schief aufgedruckt wurde oder das Rezept bereits in einer anderen Apotheke bedruckt, aber nicht beliefert und dem Kunden wieder ausgehändigt wurde.
Rechtlich handelt es sich bei Rezepten um Urkunden, die eigentlich nur vom Arzt geändert werden dürfen. Dieser muss die Korrektur mit Datum und Unterschrift abzeichnen. Wird ein Tipp-Ex verwendet, handelt es sich laut Kasse um eine nicht nachvollziehbare Änderung. Korrekturen müssen so vorgenommen werden, dass die Kasse erkennen kann, was geändert wurde. Die AOK hatte bereits 2011 darüber informiert, dass Tipp-Ex auf Verordnungen nicht erlaubt ist. Damals hatte die Rubbel-Retax für Ärger unter den Pharmazeuten gesorgt. Aus Sicht der Kasse sei die Verwendung „nicht vertragskonform und gegebenenfalls auch eine Fälschung des Dokumentes.“ Änderungen und Ergänzungen sind so vorzunehmen, „dass der ursprüngliche Inhalt noch erkennbar ist“.
Wie es in Hessen weitergeht, bleibt offen. Der Verband will das „Ganze nicht über sich ergehen lassen“, teilt ein Sprecher mit. „Das Thema wird uns noch eine Weile beschäftigen“, ist er sicher. Noch ist die Hoffnung da, sich mit der Kasse in irgendeiner Form zu einigen. Im ersten Schritt müssen die Apotheken Einspruch gegen die Vollabsetzung einlegen, dann bleibt die Entscheidung der Kasse abzuwarten und dann wird man beim Verband sehen wie es weitergeht. Gegebenenfalls muss man auf die Mittel außerhalb des Verbandes zurückgreifen.
APOTHEKE ADHOC Debatte