Kommissionier-Automaten

Die Roboterfreunde der Apotheker

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Der eine Apotheker will mehr Zeit für die Beratung, seine Kollegin benötigt mehr Platz in der Offizin, ein dritter ist einfach nur ein Technik-Freak. Gründe dafür, sich einen Kommissionierer zuzulegen, gibt es viele. Fast in jeder zehnten deutschen Apotheke kommen die Medikamente automatisch an den HV-Tisch - und der Markt ist aus Sicht der Hersteller noch lange nicht gesättigt. Eine Handvoll Unternehmen liefert sich im Kampf um neue Aufträge ein technisches Wettrüsten, viele expandieren verstärkt auch im Ausland.

Hierzulande ist Rowa unangefochtener Marktführer. Von den geschätzt 2000 Automaten, die in deutschen Apotheken stehen, hat das Unternehmen aus Kehlberg in der Eifel nach eigenen Angaben 1500 installiert. Weitere 1400 Anlagen stehen im Ausland, vor allem in Spanien, Frankreich und Großbritannien, aber auch in Österreich und in der Schweiz. Im vergangenen Jahr hat Rowa nach eigenen Angaben 478 Kommissionierer verkauft. 35 Service-Mitarbeiter sind bundesweit im Einsatz, je nach Wartungsvertrag ist ein Techniker garantiert innerhalb von vier Stunden vor Ort.

Nummer Zwei in Deutschland ist Mach4 mit einem Marktanteil von etwa 12 Prozent. Allerdings ist der deutsche Markt laut Geschäftsführer Holger Wallat nicht mehr der wichtigste für das Bochumer Unternehmen: Von den rund 750 Projekten weltweit seien nur etwa ein Drittel hierzulande installiert. In Frankreich ist Mach4 nach eigenen Angaben Marktführer. Und auf der aktuellen Automatisierungswelle in Spanien reiten ohnehin alle großen Hersteller mit. Für Mach4 gilt das umso mehr seit dem Einstieg des Unternehmens Apotheka Imedisa aus Saragossa vor rund zwei Jahren. Der spanische Apothekeneinrichter ist mit knapp einem Drittel an Mach4 beteiligt.

Als Erfinder der Kommissioniertechnik für Apotheken sieht sich Apostore, eine Tochter der KHT. Das Unternehmen für Kommissionier- und Handhabungstechnik hatte bereits 1986 beim Großhändler Gehe einen Roboter eingesetzt, 1994 wurde der erste Automat für Apotheken gebaut. Da der Schwerpunkt lange Zeit aber in der Industrie lag, ist die im Jahr 2000 gegründete Tochter Apostore mit 220 Automaten heute an dritter Position. Doch mit den aktuellen Zuwachsraten ist man in Gelsenkirchen zufrieden: Im vergangenen Jahr seien 60 neue Automaten installiert worden, 20 davon im Ausland. Nachdem vor zwei Jahren ein kleinerer Automat auf den Markt gebracht wurde, zählen nicht mehr nur Großapotheken zu den Kunden.

Zu den Newcomern im Markt gehört KLS. Das Unternehmen im saarländischen Weiskirchen baut erst seit 2005 Automaten für Apotheken. Installiert sind laut Geschäftsführer Ralf Stecinsky 160, verkauft mehr als 200. KLS kommt eigentlich aus der Automobilindustrie, das Geschäft wird aber immer stärker auf die Apotheken verlagert. Mit dem Einstieg von Awinta-Geschäftsführer Manfred Seibold im Jahr 2007 ist die Verknüpfung zum Softwarehersteller noch enger geworden. Doch KLS arbeitet wie alle Automatenhersteller mit jeder Software zusammen, bei den Awinta-Systemen gibt es einfach ein paar Features mehr.

Gollmann ist ebenfalls relativ neu auf dem Markt: Der erste von derzeit 130 verkauften Kommissionierern wurde 2006 eingebaut. Firmengründer Daniel Gollmann hatte kurzerhand eine eigene Lagerungstechnik entwickelt, als eine befreundete Apothekerin unter den damaligen Anbietern nichts Passendes für sich gefunden hatte. Mit 50 verkauften Anlagen im vergangenen Jahr hofft das Unternehmen aus Halle an der Saale auf schnell wachsende Marktanteile. Im Ausland ist das Unternehmen vor allem in Australien gut aufgestellt. Gollmann-Automaten kommen neuerdings auch in anderen Bereichen zum Einsatz, etwa in einem Kleinteilelager von Siemens.

Zu den kleineren Anbietern im Markt zählt noch Modicos mit rund 90 installierten Automaten. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Rottweil gehört zum Automatenhersteller BDT. Nachdem für Apothekenroboter bereits eine strategische Partnerschaft mit dem Softwareanbieter Pharmatechnik bestand, läuft der Vertrieb neuerdings exklusiv: BDT stellt in Deutschland den Kommissionierer K2 für Pharmatechnik her, Modicos soll als Marke vom Markt verschwinden.

Die Kosten für einen Kommissionierer liegen - je nach Hersteller, Modell und Lagerfläche - zwischen 80.000 und 130.000 Euro, vorausgesetzt in der Apotheke sind keine Umbauarbeiten notwendig. Bisweilen hängt es schlicht und einfach von den Räumlichkeiten ab, welcher Automat zu einer Apotheke passt.

Dabei spielt auch die verwendete Technik eine Rolle: greifen, saugen, schieben oder rollen: Rowa arbeitet mit einem oder - in sehr großen Apotheken - mit zwei Greifern. Die Automaten sind lang und schmal, das neueste Modell verfügt über eine verbesserte Lagertechnik, bei der die Packungen laut Rowa besonders kompakt liegen. Optional gibt es ein Kühlelement im Kommissionierer sowie ein automatisches Einlagerungssystem. Mit dem an den Kommissionierer angeschlossenen Abgabeterminal Visavia hat Rowa ebenfalls Neuland betreten. Über die Rechtmäßigkeit muss das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich entscheiden.

Mach4 arbeitet ebenfalls mit Greifern. Tatsächlich ist man bei Rowa immer noch etwas angesäuert, dass drei Entwickler dem Unternehmen noch vor dem Verkauf des ersten Automaten den Rücken kehrten und Mach4 gründeten. Das Alleinstellungsmerkmal von Mach4 ist heute die in jedem Automaten integrierte Identifikationseinheit. Die Medikamente werden von der Maschine vollständig erkannt und einsortiert. Auf Wunsch gibt es auch einen zweiten Greifer. Eine Kooperation besteht mit den Easy-Apotheken. In fast jeder der knapp 50 Discount-Apotheken ist ein Mach4-Kommissionierer installiert.

Apostore hat als erster mit zwei Greifern gearbeitet. „Dafür sind wir jahrelang belächelt worden“, sagte Vertriebsleiter Michael Hübel. Nach seinen Angaben decken die Apostore-Automaten das größte Produktspektrum ab: 98 Prozent aller Artikel könnten eingelagert werden, egal ob rund oder besonders schwer. Von den Mitbewerbern muss sich Apostore oft für den höheren Stromverbrauch der Anlagen kritisieren lassen. Doch der 400 Volt-Anschluss hat laut Hübel auch Vorteile: „Wegen der höheren Spannung fließen weniger Ströme. Das macht die Automaten extrem langlebig.“ Von Kühlschränken im Kommissionierer rät Hübel in den meisten Fällen aus betriebswirtschaftlicher Sicht ab.

KLS benutzt eine ganz andere Technik: Die Packungen werden wie auf Backblechen in Schubladen gelagert und von oben angesaugt. Die Stärke der Automaten liegt in ihrer flexiblen Form. „Die einzelnen Elemente können in 5cm-Schritten skaliert werden. Je nach Platz in der Apotheke können wir den Automaten auch als L bauen, als N oder als Z“, sagte Geschäftsführer Ralf Stecinsky. Während andere einen aufwendigen Wartungsservice böten, langweilten sich KLS-Techniker häufig, so Stecinsky. „Wir erfassen die Telemetriedaten aller Roboter, können Störungen frühzeitig erkennen und garantieren eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent.“

Kommissionierer von Gollmann arbeiten nach dem Vorbild von Bibliotheken mit einem Rollschranksystem. Die Packungen werden von Einzelplätzen angesaugt, der relativ simple Greifer hat laut Firmengründer Daniel Gollmann eine geringe Störanfälligkeit. Die Automaten benötigten nur etwa die Hälfte der Grundfläche im Vergleich zur Konkurrenz. „Das rentiert sich vor allem für kleine Apotheken“, so Gollmann. Mit kompakten Modellen könne praktisch in jeder Apotheke ein Kommissionierer stehen, rechnen würde es sich eigentlich immer. Aber eine realistische Marktabdeckung sieht Gollmann gegenwärtig bei etwa 30 Prozent der Apotheken.

Auch wenn der Wettbewerb unter den Herstellern hart ist, erkennt man die Leistung der Konkurrenz durchaus an: die Unterschiede in der Geschwindigkeit seien nicht gravierend, und ausfallsicher seien heute die Automaten aller Hersteller. Zudem ist über die unabhängig arbeitetende Software trotz der chaotischen Lagerung im Automaten jede Packung auch bei einem Systemausfall leicht zu finden.

Mach4-Chef Wallat zufolge sind Deutschlands Apotheker in puncto Technik ohnehin verwöhnt. Ob bei Apothekensoftware oder Kommissionierern, das technische Niveau sei hierzulande ungewöhnlich hoch, sagte Wallat. „Durchschnittlich gibt eine Apotheke am Tag 450 Arzneimittelpackungen ab, aber die meisten Apotheker kaufen sich Kommissionierer, die 2000 Schachteln in der Stunde auslagern können“, so Wallat. Kommissionierer seien manchmal eben auch Statussymbol.

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