„Die Quote ist das kleinere Übel“ Désirée Kietzmann, 18.10.2010 15:26 Uhr
Umstellung von Patienten, Quotenregel und Strafzahlungen - der neue Vertrag zur Versorgung von Ersatzkassenpatienten mit Blutzuckerteststreifen hat für viele Diskussionen gesorgt. Dr. Klaus Michels, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), war an den Verhandlungen beteiligt. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt er, warum die 10-Prozent-Quote aus Sicht des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) das kleinere Übel ist und wie die neue Regelung das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker beeinflusst.
ADHOC: Wie wichtig ist das Geschäft mit Teststreifen für die Apotheke?
MICHELS: Teststreifen sind neben den Arzneimitteln der wichtigste Bereich, den wir in der Apotheke haben. In dem Geschäft steckt deutlich mehr Umsatzpotenzial als zum Beispiel im Inkontinenzbereich. Jährlich werden etwa 20 Millionen Packungen Teststreifen von Apotheken abgegeben.
ADHOC: Warum hat sich der DAV auf eine Substitutionsquote eingelassen?
MICHELS: Wir spüren seit Jahren einen enormen Preisdruck seitens der Krankenkassen, während sich die Industrie nicht bewegt. Die Kassen wollten deshalb am liebsten einen Einheitspreis. Es ist uns gelungen, unser bisheriges Preismodell mit zwei Preisgruppen zu verteidigen. Gleichzeitig mussten wir den Kassen aber versichern, dass mehr Teststreifen der Preisgruppe B abgegeben werden.
ADHOC: Was sprach gegen einen Einheitspreis?
MICHELS: Ein Einheitspreis hätte eine gravierende Preissenkung auf das Niveau der günstigsten Landesverträge im Primärkassenbereich bedeutet. Dies hätte zur Folge, dass die Produkte der Marktführer kaum noch kostendeckend abzugeben wären. Die Quote ist als Kompromiss das mit Abstand kleinere Übel.
ADHOC: Wie viel Bürokratie ist in der Praxis noch umsetzbar?
MICHELS: Die neue Regelung ist nicht sehr bürokratisch, denn die Abwicklung der Quote erfolgt über die Rechenzentren. Zur Berechnung wird zunächst ein Zeitraum von neun Monaten betrachtet. Das Rechenzentrum kann der Apotheke also monatlich ihren Status-quo mitteilen. Im Übrigen: Wenn ich pro Kasse einen „Vieltester“ umstelle, habe ich die Quote in einer durchschnittlichen Apotheke in der Regel schon erfüllt.
ADHOC: Wie erklären Sie Ihren Mitgliedern die Strafzahlungen, die bei Nicht-Erfüllung fällig werden?
MICHELS: Die Regelung ist nicht als Strafzahlung zu verstehen, sondern als Garantie für die Kassen, dass sich etwas bewegt. Selbst wenn eine Apotheke die Quote nicht erfüllen kann, weil die Patienten absolut nicht wechseln wollen, ist der wirtschaftliche Schaden noch deutlich geringer, als er bei einer Preisreduktion nach den Vorstellungen der Krankenkassen gewesen wäre.
ADHOC: Sollten die Apotheken lieber die Strafzahlung statt den Ärger mit dem Kunden in Kauf nehmen?
MICHELS: Die Strafe ist zwar relativ mild, aber man sollte sie dennoch nicht provozieren. Wenn sich die Apotheken nicht bemühen, den Vertrag umzusetzen, wird das ganze System konterkariert. Das vereinbarte Ziel heißt, mehr günstige Teststreifen abzugeben. Wenn wir das nicht erreichen, wird es langfristig auf einen niedrigeren Einheitspreis hinaus laufen.
ADHOC: Wie sollen die Apotheker dem Kunden den Wechsel erklären?
MICHELS: Der Apotheker sollte sich die Geräte aus der Preisgruppe B anschauen und unter Berücksichtigung von Qualitätsaspekten entscheiden, welches er seinem Kunden empfehlen möchte. Über die Vorteile des neuen Gerätes kann dem Kunden die Alternative besser vermittelt werden. Insbesondere bei Neueinstellungen sollte natürlich darauf geachtet werden, dass ein günstiger Anbieter ausgewählt wird. Am Ende ist es in der Praxis eine Frage der Kommunikation.
ADHOC: Ist die Umstellung nicht eher Aufgabe des Arztes?
MICHELS: Der vdek hat nur begrenzten Einfluss auf die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen in den Ländern und deshalb auch keine Möglichkeit, den Ärzten Vorschriften zu machen. Natürlich sollte der Apotheker nicht am Arzt vorbei umstellen, vielmehr ist eine enge Abstimmung sinnvoll. Wir wünschen uns für die Zukunft ohnehin eine intensivere Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten. Beide Berufsgruppen sollten deshalb die Chance nutzen und aufeinander zugehen.