Die Pick-up-Stelle, die keine war Marion Schneider, 13.02.2018 14:19 Uhr
Die Rieten Apotheke musste ihre vermeintliche Pick-up-Stelle in Dauchingen einstellen. Laut Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) handelt es sich dabei um eine nicht genehmigte Rezeptsammelstelle.
Dauchingen ist ein 3500-Seelen-Ort in Baden-Württemberg – hier gibt es einen Arzt aber seit einigen Jahren keine Apotheke mehr. Um Bürgern, die nicht mobil sind, den Weg zu 2,5 Kilometer entfernten Apotheke zu ersparen, hatte die Rieten Apotheke aus dem Nachbarort in Dauchingen eine Pick-up-Stelle eingerichtet. Patienten konnten ihre Rezepte einwerfen und bekamen ihre Arzneimittel per Boten geliefert.
Die Rieten Apotheke verfügt über eine Versandhandelserlaubnis, weshalb Inhaber Hans-Otto Hengstler davon ausging, die Pick-up-Stelle ohne Genehmigung betreiben zu können. „Das war keine rein gewinnorientierte Einrichtung“, sagt Hengstler. Der Service wurde angenommen – allerdings nur vereinzelt. „Das haben offensichtlich nur die Menschen genutzt, die nicht mobil waren.“ Sechs Jahre lang störte sich niemand an der Einrichtung. Bis vor einigen Jahren gab es sogar noch eine zweite Pick-up-Stelle von einer anderen Apotheke im Ort.
Ende vergangenen Jahres erhielt Hengstler Post von seiner Kammer. Man sei darüber informiert worden, dass er in Dauchingen eine nicht genehmigte Rezeptsammelstelle betreibe. Laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) dürfen Rezeptsammelstellen nur genehmigt werden, wenn sie zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten oder Ortsteilen ohne Apotheken erforderlich ist. Ein Kriterium ist, dass die nächste Apotheke mindestens sechs Kilometer entfernt ist oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ohne Weiteres zu erreichen.
Bis zum 29. Dezember hatte Hengstler Zeit, seine Sammelstelle abzubauen. Zwei Tage bevor die Frist ablief, nahm er den Kasten ab. „Ich will ja nichts Unrechtes tun“, beteuert er. Voraussetzung für eine Pick-up-Stelle ist laut LAK auch, dass die Medikamente versendet und nicht von einem Botendienst ausgefahren werden, wie bei der Rieten Apotheke. Arzt und Patienten in Dauchingen waren nicht begeistert, als der Kasten verschwand. Einige riefen in der Rieten Apotheke an, um zu erfahren, was passiert sei. Die Patienten müssen ihre Rezepte jetzt per Post an die Apotheke senden und bekommen die Medikamente dann ebenfalls per Post geliefert.
Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) sieht dagegen nur das Vorhandensein einer Versanderlaubnis und die korrekte Kennzeichnung als notwendige Voraussetzung für eine Pick-up-Stelle. Dass die Lieferung unzulässig sein soll, wenn sie von einem höher qualifizierten Boten vorgenommen wird, erscheint den Kammerjuristen nicht logisch. In der Rechtsprechung ist aus Sicht der BLAK nicht abschließend geklärt, ob die Beteiligung eines externen Logistikers eine notwendige Voraussetzung für Pick-up ist. Von den Oberverwaltungsgerichten gebe es hierzu unterschiedliche Ansichten, am Ende werde wohl das Bundesverwaltungsgericht entscheiden müssen.
Im konkreten Fall ging es um eine Pick-up-Stelle in Schaunstein. Als im Ort die Apotheke schloss, hängte Apotheker Tim Pittroff Anfang März gegenüber der Arztpraxis ein grünes Schild mit einem Briefkasten auf. Er betreibt die Pittroff-Apotheke im nahe gelegenen Helmbrechts. Eingeworfene Bestellungen werden seitdem regelmäßig abgeholt und spätestens bis zum nächsten Tag über den Versandhandel ausgeliefert.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte 2016 ein Pick-up-Modell in einem Edeka-Markt verboten. Für die Richter war der „tatsächlich praktizierte Vertriebsweg des Versandhandels“ entscheidend für die Einordnung, nicht die Versanderlaubnis der Apotheke. Typisch für den Versand sei, dass sich Kunde und Apotheker nicht persönlich begegneten und der Kundenkreis nicht örtlich abgegrenzt sei. „Das persönliche Einsammeln von Rezepten durch den Apotheker beziehungsweise sein Personal ist dagegen untypisch“, heißt es in der Urteilsbegründung.
In Schierke in Sachsen-Anhalt betrieb Apotheker Holger Neubert jahrelang einen Briefkasten vor einer Arztpraxis – nicht als offizielle Rezeptsammelstelle, sondern als „normalen“ Briefkasten. Gestört hat das niemanden, erst als die Arztpraxis schloss, hängte Neubert den Kasten ab. Der Briefkasten diente nebenher auch als Werbefläche für seine Apotheke und Versandapotheke Bodfeld-Apotheke.