Die Krux mit Treppenstufe 3 Carolin Ciulli, 19.05.2022 10:55 Uhr
Drei Stufen müssen Apothekenkund:innen steigen, um in den Betrieb von Dr. Gustav Reißer* zu gelangen. Der Apotheker aus Bayern erhielt die Bestätigung, dass eine Rampe baulich nicht möglich ist. Bezüglich der Barrierefreiheit gilt für ihn deshalb Bestandsschutz. In zwei Jahren könnte er sich vorstellen, die Apotheke abzugeben – die Aufsicht unterstützt ihn.
Der barrierefreie Zugang zu Apotheken ist wichtig und mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) auch eine Soll-Vorschrift. Auch Reißer informierte sich damals, was die Regelung für seinen Betrieb bedeutet. Die Apotheke liegt in einem freistehenden Haus an einer Kurve. Drei Treppenstufen führen hinauf in den Verkaufsraum – das ist der Knackpunkt.
Meterlange Rampe nicht machbar
Denn um diese drei Stufen zu überwinden, müsste eine mehr als sieben Meter lange Rampe angebaut werden, um den geeigneten Neigungswinkel zu erreichen. Dafür ist jedoch nicht genug Platz vorhanden. „Eine Rampe ist aus technischen Gründen nicht machbar, der Gehweg ist nicht breit genug.“ In dem Ort ließe sich in mehr als 80 Prozent der Geschäfte kein barrierefreier Zugang nachträglich anbauen. Auch ein dem Apotheker bekannter Arzt habe diesen beantragen wollen und eine Absage erhalten.
Das Thema ist existenziell für Apothekenleiter, die verkaufen wollen.
Reißer betont, dass die Aufsichtsbehörden in diesen Fällen bei einer Übergabe grünes Licht geben müssten. „Es wäre allein kontraproduktiv vor dem Hintergrund, dass es immer weniger Apotheken gibt. Das ist doch berufsschädigend. Da muss der Gesetzgeber doch Ausnahmen schaffen“, betont er. Die Apothekenaufsicht will sich mit dem Fall zunächst intensiver beschäftigen, bevor er eine schriftliche Zusage für einen Verkauf erhält. „Das Thema ist existenziell für Apothekenleiter, die verkaufen wollen.“ Denn die Apotheke ein großer Teil der Altersversorgung. Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) rät betroffenen Inhaber:innen, sich zeitnah mit dem Thema zu beschäftigen und gibt Tipps.
Dass die Vorschrift nicht für Arztpraxen gilt, kann der Apotheker teilweise verstehen. Denn viele lägen nicht im Erdgeschoss. „Bei den Ärzten wird sich das nicht ändern, denn würden von zehn Praxen sicher acht schließen müssen“, sagt er. Dennoch sei es eine Ungleichbehandlung, die in keiner Weise zu rechtfertigen sei. Tatsächlich sind nach Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahr 2019 nur 26 Prozent der Hausarztpraxen uneingeschränkt barrierefrei zugänglich.
Uneingeschränkt barrierefrei bedeutet einen ebenerdigen Zugang mit einer maximalen Schwellenhöhe von drei Zentimeter oder Rampen mit maximal 6 Prozent Steigung. Auch ein rollstuhlgerechter Aufzug mit einer Türbreite von mindestens 90 Zentimetern und einer Tiefe von mindestens 140 Zentimetern zählt dazu. Eingangs- und Innenraumtüren müssen mindestens 90 Zentimeter breit sein. Die sogenannten Bewegungsflächen – also zusammenhängende unverstellbare Bodenflächen – in Räumen sollen mindestens 150 x 150 Zentimeter umfassen.
*Name von der Redaktion geändert