Der Austausch von Biosimilar stellt für Politik und Krankenkassen kein großes Problem dar. Das Einsparpotential steht im Vordergrund. Apotheker- und Ärzteschaft stehen der ab Sommer geplanten Austauscherlaubnis sehr kritisch gegenüber, denn: Auch wenn die Wirkstoffe nahezu identisch sind, die Primärgefäße sind es bei Weitem nicht.
Aktuell können Biosimilars nicht ausgetauscht werden. Lediglich einige wenige gentechnisch hergestellte Arzneimittel können – wenn sie als Bioidentical zueinander eingestuft sind – substituiert werden. Sie sind in Anlage 1 des Rahmenvertrages aufgeführt. Die Präparate weisen die gleichen Ausgangsstoffe und denselben Herstellungsprozess auf.
Laut Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) aus dem Jahr 2019 sollen aber alle Biosimilars austauschbar werden, die Details dazu will der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) per Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) am 16. August beschließen. Sobald die neuen Austauschregeln in Kraft treten, könnten die Darreichungsformen – ähnlich wie bei den bereites geltenden Rabattverträgen für Generika – bei der Austauschbarkeit unberücksichtigt bleiben.
Beispiel Adalimumab: In der Anlage VIIa zum Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind folgende Arzneimittel als biotechnologisch ähnlich zum Referenzarzneimittel Humira (Abbvie) gelistet:
Die genannten Arzneimittel sind sowohl als Fertigspritze als auch als Fertigpen erhältlich.
Humira (Abbvie) und Amgevita (Amgen) sind beide als Fertigspritze erhältlich. Die Primärgefäße scheinen sich auf dem ersten Blick nicht groß zu unterscheiden. Doch schaut man auf die Gebrauchsanweisung für die Patient:innen, so zeigt sich, dass die Schritt-für-Schritt-Anleitungen abweichend sind. Für medizinisches Fachpersonal sind die Unterschiede kaum relevant – für die Betroffenen können wechselnde Vorgaben zur sinkenden Compliance führen. Abbvie empfiehlt den Patient:innen eine Injektion im 45-Grad-Winkel. Amgen gibt mit 45 bis 90 Grad mehr Spielraum. Beim Thema Entsorgung gibt die Gebrauchsanweisung zu Humira ausführlichere Informationen. So wird auf das verbotene Recapping und das gesonderte Lagern des Abfallbehälters eingegangen. Im Gegensatz dazu erhalten Patient:innen in der Packungsbeilage von Amgevita weitaus weniger Informationen. Hier heißt es lediglich: „Die gebrauchte Spritze nicht wieder verwenden.“
Betrachtet man die beiden Darreichungsformen Fertigspritze und Fertigpen, so wird schnell klar, dass ein Wechsel dieser beiden Darreichungsformen für einige Patient:innen eine Herausforderung darstellen kann. Fehldosierungen oder ausgelassene Injektionen könnten die Folge sein. Während die Fertigspritze eigenständig injiziert werden muss, geschieht die Abgabe des Wirkstoffes beim Fertigpen nahezu automatisch. Der rote Aktivierungsknopf muss für zehn Sekunden gedrückt werden. Dann ist die Verabreichung beendet. Kontrollieren kann der/die Patient:in den Vorgang über das Sichtfenster. Wenn sich die gelbe Anzeige nicht mehr bewegt, ist die Injektion beendet.
Natürlich hat jeder Hersteller einen leicht abweichenden Fertigpen. Ist der Inhalt auch gleich, so unterscheiden sich die Primärgefäße hinsichtlich Farbgebung, Schutzkappen und Handling. Das zeigt sich auch beim Vergleich der Fertigpens von Abbvie und Amgen: Der Fertigpen von Abbvie verfügt über zwei Kappen, eine rote und eine schwarze – beide müssen entfernt werden, bevor der/die Patient:in mit der Injektion loslegen kann. Anders bei Amgevita: Der blaue Pen besitzt nur eine Schutzkappe. Sie ist gelb und verdeckt die Nadel. Der Auslöser ist nicht mit einer extra Abdeckung geschützt. Gleich sind die Injektionszeiten – hier muss der/die Anwender:in bei beiden Pens zehn Sekunden warten, bis die Injektion abgeschlossen ist.
Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, positionierte sich bereits im Februar im Rahmen eines Symposiums von Pro Biosimilars eindeutig und sprach dabei wohl den meisten Apotheker:innen aus dem Herzen: „Beim Beratungsbedarf macht das einen großen Unterschied, welches Arzneimittel abgegeben wird.“ Sie stellte das Problem der unterschiedlichen Darreichungsformen heraus und warnte vor vorschnellen Entscheidungen: „Es ist ein Unterschied, ob ein/e Patient:in einen Fertigpen, eine Fertigspritze oder eine Infusionslösung verabreicht bekommen soll. Selbst Fertigpens untereinander sind in der Anwendung oftmals ganz unterschiedlich. Wechselt das Biosimilar, das abgegeben werden soll, so wechselt auch das Hilfsmittel. Und nicht alle Apotheken geben diese Hilfsmittel ab, da es hierfür mittlerweile einer Präqualifizierung bedarf.“
APOTHEKE ADHOC Debatte