Rezepturen

„Die Creme verordne ich seit 20 Jahren so“ Anja Alchemilla, 18.02.2018 07:55 Uhr

Berlin - 

Langjährige Verordnungspraxis vs. Galenik-Expertise: Wenn es um Rezepturen geht, kriselt es oft zwischen Ärzten und Apothekern.

„Anja... Ich hab ein Problem mit Dr. Grind. Hilf mir da mal bitte, ich komm nicht weiter.“ Die PTA schaut ihre Filialleiterin hoffnungsvoll an. Anja Alchemilla rollt mit den Augen. Dr. Grind – der Hautarzt. Wer hat mit dem KEINE Probleme? Überhaupt Hautärzte, da gibt es doch andauernd nur Schwierigkeiten! Manchmal sehnt Anja sich nach der „guten alten Zeit“ zurück, in der Hautärzte noch nicht so sehr im Negativfokus der Apotheken standen.

Sie verordneten die Rezepturen für Hautcremes, Tinkturen, Kapseln, Lösungen und vieles mehr, und wir haben sie einfach ohne viel zu hinterfragen hergestellt. Ganz nach dem Motto: „Der Arzt wird schon wissen warum er das aufschreibt“. Allenfalls drei oder vier Mal im Jahr haben wir zum Telefonhörer gegriffen, wenn ein Wirkstoff zehnfach höher dosiert verschrieben wurde, als in der Normdosentabelle angegeben, und dann war meist einfach nur das Komma verrutscht. Doch das ist seit der Zeit der Plausibilitätsprüfungen und Herstellungsprotokolle vorbei.

Gibt es Schwierigkeiten mit einem Wirkstoff, der hinsichtlich des pH-Wertes mit den anderen Wirkstoffen und der Grundlage nicht zusammen passt, oder die verordnete Menge ist im Zusammenhang mit der Anwendungsdauer nicht sinnvoll, die Dosierung wurde vergessen oder der Wirkstoff selbst ist obsolet, dann müssen wir das hinterfragen. Seither telefoniert die PTA bei jeder zweiten Rezeptur mit den Praxen, unsere Kontakte haben sich somit im Vergleich zu früher etwa verhundertfacht. Das sorgt auf beiden Seiten für Unmut. Anja kann auch die MFA verstehen wenn sie schon genervt an den Telefonhörer geht: „Was ist denn jetzt wieder?“

Dr. Grind ist nun ein Arzt, der sich schnell auf den Schlips getreten fühlt, wenn die Apotheke anruft, weil es Schwierigkeiten mit einer Rezeptur gibt. „Die Creme verordne ich seit 20 Jahren so“, das ist einer seiner Standardsätze. Die PTA zeigt Anja das neueste Problemrezept:

„Hydrocortison 1.0
solve in Aqua ad 50.0“

„Wie soll ich das denn in Wasser lösen? Das geht nicht, auch beim besten Willen nicht. Meine Überlegung dazu war ein Hautspiritus oder eine Lotion, aber Dr. Grind will sich darauf nicht einlassen. Er sagt, mit einer Assistentin diskutiert es das ohnehin nicht und wir sollen das so machen, wie er es aufgeschrieben hat und nicht anders.“ Auch Anja lässt der sympathische Hautarzt kaum zu Wort kommen und brüllt sich gleich in Rage: Was den Apotheken eigentlich einfiele, ihn hier andauernd zu kritisieren, wer hätte denn hier die Fachkompetenz? Er sehe es auch gar nicht ein, sich von uns vorschreiben zu lassen, was er zu machen habe und basta.

Anja sitzt nach diesem Telefonat noch eine Weile im Büro und denkt nach. Im Grunde sind die Apotheken ja in der Wahl der Grundlagen frei. Wenn irgendetwas unplausibel erscheint, dann kann es auch ohne ärztliche Absegnung gesondert werden, wenn es sich nicht um einen arzneilich wirksamen Bestandteil handelt – und das macht sie jetzt auch. Im Herstellungsprotokoll wird es außerdem noch ordentlich vermerkt. Trotzdem… Zufrieden ist Anja nicht mit dem Ablauf der ganzen Geschichte. Doch was soll sie tun?

Eine Anzeige bei der Ärztekammer wäre ja für die zukünftige Zusammenarbeit sicherlich auch nicht förderlich, aber derart abkanzeln lassen muss sie sich und ihre PTA auch nicht. Sie schreibt Dr. Grind eine Mail und versucht zu erklären, warum die Apotheken in den letzten Jahren so schwierig geworden sind.

Gleichzeitig macht sie ihm aber auch klar, dass sein Verhalten am Telefon nicht tolerierbar ist und zu Konsequenzen führt, wenn es sich nicht ändert. Vielleicht ist er ja ruhiger, wenn er nicht das Gefühl hat am Telefon vor dem Patienten zurecht gewiesen zu werden. Es ist für uns alle nicht leichter geworden – ein respektvoller Umgang miteinander sollte aber die Basis sein, auf der wir uns begegnen.