Apotheken leben von der Laufkundschaft. Aber was ist, wenn der Zugang zur Offizin durch eine Baustelle oder Straßensperrung kaum oder gar nicht möglich ist? „Die Hürden für eine Entschädigungszahlung sind sehr hoch“, erklärt Olaf Orb von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bremen. Ob Gemeinde oder Vermieter einspringen, sei in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung.
Wie andere Gewerbetreibende sind Apotheker in ihren Eigentumsrechten geschützt. Wenn es um Entschädigungsforderungen für Umsatzausfälle geht, wird daher mit dem Grundgesetz argumentiert: Demnach sind „Enteignungen“ zum Wohle der Allgemeinheit zwar zulässig, allerdings müssen die Betroffenen – „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ – unter Umständen entschädigt werden.
Während bei einem Verlust des allgemeinen Lagevorteils, zum Beispiel durch eine Straßenumleitung, kein Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich besteht, können Straßenbauarbeiten oder -sperrungen unter bestimmten Voraussetzungen zu Entschädigungen führen. Eine Voraussetzung ist, dass die Bauarbeiten nach Dauer, Art, Intensität und Auswirkungen erheblich und ohne Entschädigung nicht zuzumuten sind.
Wenn zum Beispiel der Kontakt nach außen, zur Laufkundschaft, gänzlich abgeschnitten sei, müsse der entstandene finanzielle Schaden ausgeglichen werden, erklärt Orb. Auch wenn der urspünglich angesetzte Zeitraum für die Bauarbeiten erheblich überschritten wird, besteht Entschädigungsanspruch.
Auf der anderen Seite gibt es die sogenannte Opfergrenze, bis zu der die Betroffenen Einschränkungen hinnehmen müssen. Bei Arbeiten an der Straße, die der Verbesserung und Modernisierung dienen, gilt generell: Können Fußgänger die Geschäftsräume noch erreichen oder sind nur Umwege zu gehen, dann müssen Umsatzrückgänge für einige Wochen oder Monate akzeptiert werden.
So erlebt es derzeit auch Claudia Rabe in ihrer Apotheke Borna in Chemnitz. Seit Oktober 2011 wird vor der Offizin gebaut. „Ein Umsatzrückgang ist auf jeden Fall zu spüren“, sagt die Apothekerin. Die Kunden hätten durch die Baustelle einen längeren Weg und gingen unter Umständen einfach woanders hin. Rabe hat sich an die Stadt gewandt. Dort habe man ihr aber mitgeteilt, dass kein Anspruch bestehe. Daher versucht sie, mit der Situation so gut wie möglich umzugehen: „Trotz Baustelle sind wir für Sie da“, heißt es etwa auf der Homepage. Klagen wird die Apothekerin nicht.
Laut Gesetz müssen nicht nur der Anspruch, sondern auch der Umfang vor Gericht nachgewiesen werden. Es gebe keine festen Grenzen für hinzunehmende Bauzeiten oder Umsatzeinbrüche, erklärt Orb. Als Maßstab gelte hier ein ungewöhnlich starker Ertragsrückgang. Der Betroffene müsse nachweisen, dass die Baumaßnahmen in unangemessener Art oder Dauer durchgeführt wurden. Der Betrieb müsse dadurch besonders einschneidend, bis hin zur Existenzbedrohung, gefährdet sein. Erst dann bestehe eventuell die Möglichkeit auf eine Entschädigungszahlung.
Grundsätzlich gilt, dass ein wirtschaftlich intaktes – gesundes – Unternehmen genügend Rücklagen für den Fall eines Umsatzrückgangs durch die Baustelle gebildet haben muss. Wenn sich bereits nach kurzer Zeit Schwierigkeiten einstellen, so war der Betrieb laut Gesetzeslage schon vorher wirtschaftlich krank.
Ein anderer Fall tritt ein, wenn nicht die Stadt, sondern der Vermieter Schuld an den Einschränkungen ist. Dann gebe es unter Umständen das Mittel der Mietminderung, so Orb. Die Berliner Apothekerin Christine Gunkel kann davon berichten: „Über insgesamt zweieinhalb Jahre hatten wir eine Baustelle vor der Tür“, sagt Gunkel. Der Hauseigentümer hatte Arbeiten am Gebäude veranlasst. Das habe teilweise zu massiven Absperrungen geführt. Daraufhin minderte Gunkel die Miete.
Ist der Apotheker auch Eigentümer der Immobilie, gibt es die Möglichkeit, über den Grundsteuererlass Geld erstattet zu bekommen. Wenn der Rohertrag wegen äußerer Einwirkungen in dem betreffenden Jahr um mindestens 50 Prozent geringer ausfällt, kann der Eigentümer einer Gewerbeimmobilie einen Antrag auf Grundsteuererlass stellen. Der Antrag muss bis zum 31. März des Folgejahres bei der Gemeinde gestellt werden.
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