Skonto-Urteil

„Die Apotheker betreiben Rosinenpickerei“

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Berlin -

Die Wettbewerbszentrale wollte – offenbar im Auftrag des Großhandels – die Einkaufskonditionen der Apotheken begrenzen und Skonti den Rabatten gleichsetzen. Am Ende entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Großhändler überhaupt keinen Mindestpreis veranschlagen müssen, sondern ihre Marge vollständig an die Apotheken weitergeben dürfen. Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale erklärt im Interview mit APOTHEKE ADHOC, warum sich eigentlich niemand über dieses Urteil freuen kann.

ADHOC: Hand aufs Herz: Konnten Sie sich vorher vorstellen, dass der BGH die Großhandelsmarge komplett freigeben würde?
KÖBER: Für eine genaue Bewertung müssen wir die schriftlichen Urteilsgründe abwarten. Aber wenn die Freigabe der 70 Cent für Rabatte da so deutlich drin steht wie in der Mitteilung des Gerichts nach Urteilsverkündung, wäre das schon eine Überraschung.

ADHOC: Sie hielten das Urteil für falsch?
KÖBER: Der BGH unternimmt einen weiteren Versuch, die Arzneimittelpreisverordnung aufzuweichen. Man kann sicher feststellen, dass Karlsruhe das Thema sehr liberal sieht. Wenn es jetzt vollen Preiswettbewerb im Mittelstück der Vertriebskette gibt, wird das Auswirkungen auf das gesamte System haben, auch auf die Apotheken. Für sie dürfte das Urteil daher allenfalls kurzfristig ein Erfolg sein, mittelfristig könnte es sehr negative Auswirkungen haben.

ADHOC: Denken Sie an die Politik?
KÖBER: Mit dem Urteil wird ein Wettbewerb eingeführt, von dem ich immer noch glaube, dass der Gesetzgeber ihn nicht will. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass es hier eine Klarstellung geben wird, so wie die Politik auf das BGH-Urteil zur Preisbindung bei Blisterware reagiert hat. Wenn der Gesetzgeber einen Wettbewerb auf dieser Ebene nicht möchte, ist er jetzt dazu aufgerufen, dass noch einmal klarzustellen.

ADHOC: Glauben Sie, dass der Wettbewerb zwischen den Großhändlern gesetzlich begrenzt wird?
KÖBER: Die Politik sortiert sich ja derzeit noch, aber es ist davon auszugehen, dass die neue Bundesregierung sich mit der AMPreisV befassen wird. Dann kann alles passieren: Der Gesetzgeber könnte sich für ein ganz anderes Vergütungssystem entscheiden, worüber immer wieder diskutiert wird. Er könnte aber auch die Preise ganz freigeben, dann zu Lasten der Apotheker.

ADHOC: Halten Sie eine Aufhebung der Preisbindung wirklich für wahrscheinlich?
KÖBER: Es hat der Politik nie gefallen, wenn ein Protagonist – aus ihrer Sicht – mehr verdient, als ihm zusteht. Rabatte sollen immer der Solidargemeinschaft zukommen. Das konnten wir bei früheren Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes schon beobachten, etwa beim Verbot der Naturalrabatte.

ADHOC: Und jetzt sollen den Apothekern die Großhandelsrabatte weggenommen werden?
KÖBER: Auf die Gefahr hin, dass ich mit damit keine Freunde mache: Mit Blick auf die Preisbindung betreiben viele Apotheker Rosinenpickerei. Wenn der EuGH die AMPreisV angreift, ist das ganz furchtbar. Kommt wie jetzt beim BGH-Urteil eine Aufweichung den Apotheken zu Gute, finden das alle ganz toll. Das wird auf Dauer so nicht funktionieren. Die AMPreisV ist ein fein justiertes System, das ins Rutschen gerät, wenn man einen Baustein verändert.

ADHOC: Die Großhändler wurden vom BGH nicht verpflichtet, ihre Marge zu verschenken.
KÖBER: Ein verstärkter Wettbewerb wird die Großhändler Geld kosten. Ich kann mir vorstellen, dass es dem ein oder anderen lieber gewesen wäre, wenn AEP verloren hätte. Dann hätte man gegenüber den Apotheken leicht sagen könne: Es tut uns leid, wir dürfen das nicht. Aber der Großhandel wollte diese offene Rechtsfrage klären lassen und jetzt haben wir das Ergebnis.

ADHOC: Und Sie verraten auch nach dem Urteil nicht, welcher Großhändler?
KÖBER: Da liegen Sie richtig. Das ist ohnehin eine Rechtsfrage, die mich begleitet, seit ich bei der Wettbewerbszentrale arbeite. Und nur wenige Verfahren wurde so emotional geführt – das ging bei der Frage los, wer wohl dahinter steckt. Jetzt ist die Frage geklärt, aber so richtig glücklich kann niemand damit sein. Beim EuGH-Verfahren waren die Rollen eindeutig verteilt. Da wusste man alle außer DocMorris und der Europa Apotheek in der Bewertung hinter sich, dass das ein miserables Urteil war. So eindeutig sind die Fronten hier nicht.

ADHOC: Die Apotheken dürfte es schon freuen, dass ihr Skonto nicht de facto gestrichen wurde.
KÖBER: Es hieß immer: Wenn die Skonti gestrichen werden, gibt es ein großes Apothekensterben. Dabei stimmt es doch gar nicht, dass die Apotheken am Tropf des Großhandels hängen – die Top-Konditionen bekommen doch auch heute vor allem die großen Apotheken. Wenn der Wettbewerb jetzt noch offener ausgetragen werden kann, dürfte die Schere weiter auseinander klappen. Und deshalb glaube ich nicht, dass sich alle Apotheker freuen können über diese Entscheidung.

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