Mit dem Ausstellen der Impfzertifikate haben die Apotheken eine weitere Aufgabe übernommen, um in der Corona-Krise wieder etwas Normalität herzustellen. Dass das Portal jetzt vorübergehend abgeschaltet werden musste, ist ein politischer Rückschlag für die Abda. Desaströs ist aber vor allem die Kommunikation, kommentiert Alexander Müller.
Als immer mehr Menschen gegen Covid-19 geimpft werden konnten, sollten sie ihren Status mit einem Zertifikat belegen können. Die Ärzteschaft sah sich zu einer schnellen Umsetzung technisch nicht im Stande. Die Apotheker schon. Der Deutsche Apothekerverband wollte sich als Problemlöser politisch profilieren und gleichzeitig die Relevanz seines eigenen Mitgliederportals an der Basis erhöhen.
Wären stattdessen die Softwarehäuser der Apotheken von Anfang an eingebunden gewesen, wäre zum Start zumindest ein Flaschenhals weggefallen. So kam es, wie es kommen musste: Dem großen Ansturm zu Beginn war das System nicht gewachsen, immer wieder brach das Portal zusammen. Die Beteiligten – ob RKI, Spahns BMG oder IBM – schoben sich die Verantwortung dafür gegenseitig zu. Der DAV war unterdessen spürbar überfordert: Nicht nur brach das System ständig zusammen und brachte Apothekenmitarbeitende in unangenehme Situationen. Als sie sich Hilfe suchend an den DAV wandten, erhielten sie so gut wie nie eine Antwort. Support für die Verbandsmitglieder? Fehlanzeige. Doch auch viele Funktionäre in den Landesverbänden fühlten sich schon zu Beginn vor den Kopf gestoßen: Der DAV hatte bereits öffentlich kommuniziert, den Zertifikatsservice zu übernehmen, bevor er die Landesverbände über die Details ins Bild gesetzt hatte. Die wiederum wurden von Mitgliedern und Medien gelöchert – wussten aber selbst oft nicht mehr als das, was der DAV zuvor schon öffentlich bekanntgegeben hatte.
Dass der DAV zunächst nur Verbandsmitglieder zuließ und damit alle Apotheken ausschloss, die keinem Landesverband angehören, sorgte für den nächsten Ärger. Dass DAV-Vize Hans-Peter Hubmann Nicht-Mitglieder, die dennoch Zertifikate ausstellen wollten, von oben herab als „Trittbrettfahrer“ und „Schmarotzer“ beleidigte, trug nicht gerade zur Versöhnung bei. Das BMG musste die Abda ernsthaft daran erinnern, eine diskriminierungsfreie Lösung zu schaffen. Zähneknirschend wurde für Nichtmitglieder die Möglichkeit eines Gastzugangs geschaffen.
Und genau die sollen laut Abda jetzt Schuld daran sein, dass das System gehackt werden konnte. Denn die Kolleg:innen vom Handelsblatt haben einfach eine Apotheke erfunden und einen Beleg vom Notdienstfonds gefälscht, um sich zu registrieren. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Angaben bei der Abda nicht überprüft wurden. Alle notwendigen Daten dazu liegen vor. Zumal es gerade einmal 470 Gastzugänge waren.
Es ist der falsche Weg, jetzt einen Keil zwischen Mitglieder und Nichtmitglieder zu treiben, nur weil schnell ein Schuldiger gefunden werden soll. Es würde der Abda besser zu Gesicht stehen, die Verantwortung für diesen Fehler zu übernehmen. Dazu hätte gehört, rechtzeitig und offen darüber zu kommunizieren. Stattdessen ließ man die Apotheken rund 24 Stunden alleine. Die mussten ihre Kundinnen und Kunden vertrösten und bekamen nicht einmal mitgeteilt, dass das System diesmal länger als ein paar Stunden offline sein würde. Als gute Standesvertretung ist die Abda leider weder gegenüber ihren eigenen Mitgliedern, noch gegenüber der Politik aufgetreten – und auch nicht gegenüber der Öffentlichkeit: Die Impfzertifikate sind kein Fachthema für Brancheninsider, sondern werden in der gesamten Gesellschaft wahrgenommen. Der Tenor in der Publikumspresse ist absehbar: Es sei an den Apotheken gescheitert.
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