Die 100.000-Euro-Retax Alexander Müller, 26.04.2018 10:20 Uhr
Post von den Abrechnungsstellen der Krankenkassen ist in Apotheken nicht gerne gesehen. Was wird diesmal retaxiert? Und wie viel? Bei immer mehr extremen Hochpreisern kann ein Fehler bei der Abrechnung existenzielle Folgen haben. Um dem Apotheker in diesem Fall die schlechte Nachricht möglichst schonend beizubringen, hatte sich die AOK sogar vorab telefonisch gemeldet, bevor der Brief verschickt wurde. Denn in diesem Fall ging es um rund 100.000 Euro.
Bei der Kasse war aufgefallen, dass die Apotheke überdurchschnittlich viele teure Rezepturen abgerechnet hatte. Hochpreiser werden bei allen Kassen genauer unter die Lupe genommen. Und in diesem Fall wurde schnell klar, dass der Preis um zwei Kommastellen verschoben war. Statt 27,50 Euro hatte die Apotheke 2750 Euro in Rechnung gestellt.
Das Problem: Dieser Fehler war nicht einmal passiert, sondern bei jeder Rezeptur. Wie es dazu kommen konnte, dass jede Rezeptur mit dem Faktor 100 berechnet wurde, ist nicht bekannt. Die Apotheke möchte damit aus verständlichen Gründen auch nicht an die Öffentlichkeit.
Deshalb kann nur spekuliert werden: Hat das Komma auf der Tastatur geklemmt? Entstand der Fehler bei der Mengenangabe oder liegt er im Warenwirtschaftssystem? Da die Preise von Rezepturen nicht im ABDA-Artikelstamm hinterlegt sind, ist auch keine Preisprüfung möglich, wenn die Apotheke das Sonderkennzeichen 09999011 verwendet. Gleichwohl hätte es in der Apotheke auffallen können.
Das Rechenzentrum der Apotheke hatte kurz danach von dem Fall erfahren und sich mit dem Apotheker in Verbindung gesetzt. Da die vorzunehmende Kürzung knapp sechsstellig gewesen wäre, wollte man mit dem Inhaber gemeinsam eine Lösung besprechen. Schließlich sollte die Liquidität der Apotheke nicht gefährdet werden.
Der Apotheker zeigte sich schockiert, dass der Fehler nicht früher aufgefallen war. Mancher ist eben mehr Pharmazeut als Kaufmann. Er konnte jedenfalls glaubhaft machen, dass es sich dabei offensichtlich um ein Versehen gehandelt hat. Mit dem Rechenzentrum verständigte er sich auf eine Rückzahlung statt Verrechnung.
Damit ist die Sache vom Tisch, dem Vernehmen nach wurde auch der Fehler in der Apotheke gefunden und behoben, so dass keine weiteren Retaxationen drohen – zumindest künftig. Allerdings dürften sich die anderen Kassen noch bei der Apotheke melden, solche Fehler entgehen vermutlich keiner Prüfstelle. Die AOK soll sich in dem Fall absolut sauber verhalten und die Sache gut geklärt haben. Vielleicht klingelt in der Apotheke demnächst wieder das Telefon.