Messgeräte dürfen nicht verschenkt werden Alexander Müller, 25.07.2017 15:48 Uhr
Diabetiker müssen sich ihre Blutzuckermessgeräte normalerweise nicht selbst kaufen. Die Hersteller verschenken ihre Geräte, damit die Patienten später auf die entsprechenden Teststreifen angewiesen sind. Doch die kostenlose Abgabe der Geräte in Arztpraxen oder Apotheken wird seit Inkrafttreten des Anti-Korruptionsgesetzes vor rund einem Jahr kritisch gesehen. Das Landgericht Dresden (LG) hat nun einem Fachhändler für Diabetesbedarf untersagt, die Geräte zu verschenken. Die klagende Wettbewerbszentrale war zuvor auch schon gegen eine Apotheke vorgegangen.
Das Fachgeschäft in Dresden hatte noch im Oktober im Schaufenster für das Angebot geworben: „Kostenlose Abgabe und Einweisung von Blutzuckermessgeräten. Wir beraten Sie gern!“ Die Kunden mussten nur etwaige Versandkosten tragen, auf die gesetzliche Zuzahlung wurde dagegen verzichtet. Zwischenzeitlich wurde die Praxis eingestellt, noch während des laufenden Prozesses aber wieder aufgenommen.
Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Zudem sei die Werbung irreführend, weil verschwiegen werde, dass der Kunde das Gerät am Ende über den Preis der Teststreifen doch bezahlt. Denn diese sind bekanntlich je nach Gerät unterschiedlich und damit das eigentliche Geschäft der Hersteller. Nach erfolgloser Abmahnung ging die Sache vor das LG Dresden.
Die Richter gaben der Wettbewerbszentrale recht: Bei der Werbung für die kostenlose Abgabe handele es sich nicht um eine – zulässige – Imagewerbung, sondern um eine produktbezogene Werbung. Diese ist nach dem HWG verboten, damit Patienten nicht unzulässig beeinflusst werden. Zweck der kostenlosen Abgabe sei aber eben, den Kunden an ein bestimmtes Gerät zu binden, was vor allem bei neu einzustellenden Diabetikern ohne Marktkenntnis leicht möglich sei.
Den Richter zufolge geht es vor allem um Kundenbindung. Diese trete „nicht nur über die Wertschätzung für die kostenlose Abgabe der Blutzuckermessgeräte ein, sondern auch dadurch, dass ein Bezug von Blutzuckermessstreifen von anderen Händlern oder Apothekern, die die zum Messgerät passenden Teststreifen nicht in ihrem Portfolio haben, ausscheidet“, heißt es im Urteil vom 29. Juni.
Die Kunden sähen die Geräte als Werbegeschenk an. Für Privatversicherte sei der Vorteil aufgrund des Selbstbehalts offensichtlich, doch auch für gesetzlich Versicherte würden die Geräte einen hohen Gegenwert zumessen. Das allein deshalb, weil Diabetiker immer mindestens zwei Geräte haben sollten. Die Ausnahme für Werbegaben von geringem Wert greift daher aus Sicht des Gerichts nicht. Der unterschiedliche Wert der einzelnen Geräte werde den Kunden zudem auch gar nicht mitgeteilt.
Der beklagte Fachhändler hatte im Verfahren noch versucht, die Abmahnung als rechtsmissbräuchlich abzuschmettern, da die Wettbewerbszentrale im Auftrag eines Apothekerverbands aktiv geworden sei. Und dieser gehe seinerseits nicht gegen eigene Mitglieder vor, sofern diese kostenlose Geräte abgäben. Doch das Gericht ging nicht darauf ein. Die Wettbewerbszentrale müsse sich das Verhalten des LAV nicht zurechnen lassen. Zudem hatte sich der Sächsische Apothekerverband (SAV) gegenüber seinen Mitgliedern im September 2016 tatsächlich gegen eine kostenlose Abgabe der Geräte ausgesprochen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Fachhändler kann noch in Berufung gehen.
Die Wettbewerbszentrale hat nach eigenen Angaben bereits im März vor dem Landgericht Bochum eine einstweilige Verfügung gegen eine Herner Apothekerin erwirkt, die für die kostenlose Abgabe eines Blutzuckermessgerätes geworben hatte. Da die Apotheke dies nicht als endgültige Regelung anerkannt habe, wurde nunmehr Hauptsacheklage eingereicht. Eine mündliche Verhandlung gab es schon, das Gericht seine Entscheidung am 17. August verkünden.
Dagegen sind entgegen früherer Befürchtungen bislang keine Fälle bekannt, bei denen sich Staatsanwälte für die kostenlose Abgabe von Blutzuckermessgeräten interessiert hätten. In Zusammenhang mit dem Anti-Korruptionsgesetz war die Frage aufgekommen, ob sich Apotheker und Ärzte gegen den neuen § 299a des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar machen, wenn sie sich ihrerseits die Geräte vom Hersteller schenken lassen.
Auf den ersten Blick ist das vollkommen unproblematisch – schließlich bekommt der Patient den Vorteil und nicht der Arzt oder Apotheker. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine Strafbarkeit entfallen, wenn der Heilberufsangehörige Rabatte und sonstige Vorteile zugunsten des Patienten oder der Krankenkasse annimmt und weiterreicht.
Ein misstrauischer Staatsanwalt könnte aus der Konstellation aber trotzdem einen Anfangsverdacht ableiten, so die Befürchtung. Denn im ersten Schritt erhält der Arzt oder Apotheker mit dem Gerät einen Vorteil. Strafrechtlich entscheidend ist nun, ob es darüber hinaus eine Unrechtsvereinbarung gibt. Strafbar macht sich der Heilberufler, wenn er eine Gegenleistung dafür erhält, dass er einen bestimmten Hersteller bevorzugt.