Der schönste PhiP Deutschlands Silvia Meixner, 07.12.2017 15:21 Uhr
Die Kollegen in der Europa-Apotheke in Hannover werden Augen machen. Die meisten wähnen Tinh, ihren Pharmazeuten im Praktikum, im Urlaub. Ist er ja auch, aber es ist ein besonderer Urlaub. Heute kehrt er aus Ägypten zurück, am Sonnabend steht er in Linstow auf der Bühne.
In Linstow südlich von Rostock wird am Wochenende Deutschlands schönster Mann gekürt. 16 Konkurrenten kämpfen um den Titel „Mister Germany 2018“. Einen inoffiziellen Titel hat Tinh Tien Aluska mit seiner Platzierung schon jetzt: Er ist Deutschlands schönster Pharmazeut im Praktikum.
In Ägypten wurden Deutschlands schönste Männer für ihren großen Auftritt fit gemacht. Eine Woche lang Sportprogramm, Benimm-Regeln, Interview-Training, Foto-Shootings. Für Tinh war das Hotelbuffet tabu. Kuchen, ägyptische Spezialitäten, Pizza, alles verboten. „Vor dem Wettbewerb esse ich keine Kohlenhydrate.“ Nicht der Figur wegen. Die Haut muss am Wochenende perfekt sein. Der 27-jährige Pharmazie-Student hat eine klare Mission. „Ich habe eine Geschichte, die ich gern erzählen möchte.“
Diese Geschichte geht so: Aufgewachsen im niedersächsischen Stolzenau hatte er als Teenager einige Probleme. „Ich komme nicht aus reichem Hause“, sagt er. Es gab daheim viele Schwierigkeiten. „Ich hatte keine Freunde und mit den Mädels lief es auch nicht so gut“, erzählt er. Kurzum: „Alles lief schief.“ Er hatte nie das neueste Handy und nie die neueste Klamotten. „Ich hatte lange, dünne Haare und wurde in der Schule von den anderen schlecht gemacht.“
Als alles ganz trostlos war, beschloss Tinh: „Ich schaffe jetzt das Abitur, nur für mich. Ich sagte mir: Wenn du nichts hast, dann mach‘ wenigstens das.“ Gesagt, getan, danach absolvierte er seinen Zivildienst im Friederikenstift in Hannover. „Dort habe ich den Krankenhausapotheker kennengelernt. Er war sehr nett und hat mir gezeigt, was für ein toller Beruf das ist.“
Beim Einsortieren der Medikamente in die Regale stellte sich Tinh immer öfter die Frage, wie sie eigentlich wirken. „Das war faszinierend.“ Der Wunsch, Pharmazie zu studieren, erwachte. „Leider habe ich mit meinem Abi im Dreierbereich keinen Studienplatz bekommen. Deshalb habe ich zuerst eine PTA-Ausbildung gemacht, weil damit die Chance auf einen Studienplatz steigt.“
Die Zusage kam schließlich von der TU Braunschweig. „Ich habe sofort mit dem Studium begonnen.“ Und immer Sport gemacht. „Ich wollte den Mädels gefallen. Ich habe dabei Selbstdisziplin gelernt, trainiere jeden Tag, entweder vor oder nach der Apotheke. Der Körper sieht nur gut aus, so lange man etwas macht. Ich habe das Prinzip meines Sporttrainings auf das Studium übertragen.“
Regelmäßig fleißig sein und niemals aufhören. Sechs Tage in der Woche geht er ins Sportstudio. Und am siebten Tag ruht er sich nicht etwa aus, dann geht er zum Turn-Training. In der Apotheken-Welt ist seine Topfigur fast ein Alleinstellungsmerkmal: „Ich kenne keinen Apotheker mit Waschbrettbauch“, sagt er lächelnd. Als er kürzlich bei der Wahl des „Mr. Bremen“ den zweiten Platz errang, postete er bei Facebook: „2. Staatsexamen in der Tasche und nun Vize Mister Bremen 2017/2018. Fantastisch.“
Es kam noch besser. „Ich wurde in der Mittagspause angerufen und vom Veranstalter gefragt, ob ich als ‚Mister Norddeutschland‘ beim bundesweiten Wettbewerb antreten wolle.“ Nicht immer sind Lebenswege geradlinig. Manch einer braucht ein paar Umwege, bis er sein Ziel erkennt und darauf zusteuern kann.
Tinhs Eltern sind mittlerweile sehr stolz auf ihn. Und mit den Mädels klappt es jetzt auch. Seine Freundin wird am Samstag in Linstow dabei sein. „Ich will, dass Menschen, die mein Leben kennen, auch anfangen, an sich zu glauben. Ich möchte sie inspirieren. Man kann das Beste aus dem Leben rausholen. Ich habe keine besondere Begabung, bin Durchschnitt. Durch Disziplin habe ich es so weit gebracht. Und man muss immer einmal öfter aufstehen als man hinfällt.“