Apothekenschließung

„Der Nachwuchs hat Angst“

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Berlin -

Mit 76 Jahren geht Brigitte Lünemann am 15. März in den Ruhestand. Gerne hätte sie ihre gut laufende Lamberti-Apotheke in Münster in jüngere Hände gegeben, doch die nachwachsende Generation habe zunehmend Angst vor der Verantwortung, meint sie.

Die gebürtige Innsbruckerin bringt es mittlerweile auf 54 Dienstjahre. „Nach der Approbation musste ich mir erst einmal meine Sporen als Angestellte und Apothekenleiterin verdienen.“ Der Liebe wegen zog es sie nach Münster. Am 3. Januar 1972 eröffnete Lünemann hier die Apotheke am Alten Fischmarkt. „Mein Mann war Kaufmann, er hat mir alles beigebracht, was ich über die Verwaltung wissen musste.“

Nach fast vier Jahrzehnten musste sie den vertrauten Standort aufgeben. „Die Mieten in dieser Lage waren so explodiert, dass sich die Apotheke nicht mehr rentiert hätte.“ Im März 2011 fand sie ein nur 150 Meter entferntes Objekt, der Preis sei gerade noch akzeptabel gewesen. Neun Monate noch führte sie beide Apotheken nebeneinander, ab Januar 2012 konzentrierte sich Lünemann nur noch auf die Lamberti-Apotheke.

Ein Aufhören sei für sie auch als damals bereits 70-Jährige nicht infrage gekommen, berichtet sie. „Mein Mann war gerade gestorben, wenn ich nicht weitergemacht hätte, wäre ich in ein schwarzes Loch gefallen.“ Zum Glück sei sie auf die Einnahmen nicht angewiesen gewesen. „Mein Mann hatte meine Altersvorsorge schon geregelt.“

Der Beruf habe ihr nach all den vielen Jahren viel Halt gegeben. „Die medizinische Seite hat mir immer wahnsinnig viel Spaß gemacht, gerade die intensive Betrachtungen von möglichen Wechselwirkungen ist enorm wichtig für den Erfolg einer Therapie.“ Doch auch eine Bindung zu den Kunden sei entscheidend. „Man muss den Menschen verstehen, sich in seine Sorgen und Nöte hinein versetzen, um ihn beim Gesundwerden zu unterstützen.“

Zwar habe sie die Konkurrenz der Versandapotheken nicht nennenswert zu spüren bekommen. „Wir hatten viele Stammkunden.“ Den Onlinehandel verfolge sie gleichwohl mit Sorge. „Bei all den Fälschungen, die kursieren, halte ich es für äußerst gefährlich, Arzneimittel im Internet zu bestellen.“ Schwerer wiegen die Auswirkungen einer „völlig verfehlten Politik“, sagt sie. „Das hat uns viele Steine vor die Füße geworfen.“

Das fange mit der Ausbildung schon an: „Das Pharmaziestudium ist sehr schön, aber es kostet den Steuerzahler 300.000 Euro“, rechnet Lünemann vor. Der Frauenanteil liege bei 90 Prozent, die Regelstudienzeit werde selten eingehalten. „Nach Ende sind die Neuapprobierten etwa 27, dann tickt schon die biologische Uhr. Ein großer Teil geht so für den Beruf verloren.“ Geeignete Vertreter seien so kaum noch zu finden. „Früher hatte ich viele junge Approbierte bei mir, die sich auf eine Promotion vorbereitet haben, aber die sind mittlerweile völlig überlastet.“

Die Arbeitseinstellung sei zudem eine andere geworden. „Ich bin jeden Tag zehn Stunden in der Apotheke und mache dazu noch die Notdienste. Für mich als Angehörige der Aufbaugeneration ist das selbstverständlich.“ Junge Apotheker legten dagegen mehr Wert auf eine gesunde Work-Life-Balance. „Wenn da aber nur noch das ‚Life‘ übrig bleibt, wird es für unseren Berufsstand zunehmend schwierig.“

Schon seit zwei Jahren sei sie auf der Suche nach einem Nachfolger gewesen. „Meine Apotheke ist ertragssicher, bildhübsch, super ausgestattet und barrierefrei“, sagt Lünemann. „Viele junge Pharmazeuten träumen von einem Großbetrieb, dabei bietet gerade eine kleine wie meine geradezu ideale Startbedingungen in die Selbstständigkeit.“ Aber alle Interessenten hätten in letzter Minute abgewunken. „Für mich gab es dafür keinen greifbaren Grund, außer der Angst vor der Verantwortung.“

Vor vier Wochen, recht spontan, sei der Entschluss gefallen, die Lamberti-Apotheke dicht zu machen. „Ich habe einfach gemerkt, dass es reicht. Mit meinem Vermieter hatte ich eine einmonatige Kündigungsfrist vereinbart, nach Schließung habe ich noch zwei Wochen Zeit, um alles auszuräumen.“ Für ihre Mitarbeiter habe sie alles geregelt, näher ins Detail gehen will sie da nicht. Der Abschied von den Kunden falle ihr nicht leicht, räumt Lünemann ein. „Vielen stehen die Tränen in den Augen.“ Doch Angst, in ein schwarzes Loch zu fallen, habe sie diesmal nicht. „Seit dem Tod meines Mannes sind ein paar Jahre vergangen, das Leben geht weiter“, bekräftigt die Apothekerin. „Ich hab noch so viel vor, mein wunderschöner Garten wartet schon auf mich.“

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