Der einfach nettere Pharmazierat Carolin Ciulli, 31.12.2018 08:48 Uhr
Apotheker Michael Becker will mit dem Vorurteil des bösen Pharmazierats aufräumen. „Ich bin mir sicher, dass keiner als kleiner Kaiser durch die Apotheke geht und eine Schreckensdynastie auslöst“, sagt der Inhaber der Lender Apotheke im baden-württembergischen Sasbach. Mit einem Newsletter klärt der Pharmazierat Kollegen regelmäßig über die häufigsten Fehler und Fragen auf. Er verspricht: Niemand habe sich vor einer Revision zu fürchten.
Seit zwölf Jahren ist Becker selbstständiger Apotheker. Nach der Übernahme modernisierte er die Lender Apotheke in Stadtrandlage. Sein damaliger Pharmazierat sprach ihn an, ob er nicht seine Nachfolge übernehmen wolle. „Wichtig war ihm, dass es jemand ist, der diplomatisch ist und gut mit Menschen umgehen kann.“ Seit 2015 ist Becker für das Regierungspräsidium Freiburg unterwegs, insgesamt besuchte er rund 40 Apotheken. „Reibereien gab es bisher keine“, sagt er.
Das negative Image des Pharmazierats ist aus seiner Sicht völlig falsch. „Dass der Pharmazierat als Knecht Ruprecht dargestellt wird, das finde ich traurig und erschreckend zugleich.“ Als Pharmazierat komme er als Kollege in die Apotheken. „Ich nehme Mängel auf, berate aber und helfe als Coach auf Augenhöhe so gut ich kann. Ich helfe meinen Kunden im HV und meinen Kollegen vor Ort.“
Wichtig sei, dass man als Pharmazierat in der Revision auf die einzelnen Fälle individuell eingehe. „Natürlich erlebe ich vieles, auch Schicksale. Darauf muss man Rücksicht nehmen“, sagt er. Natürlich gebe es auch in seinem Einzugsgebiet Apotheken, die schließen mussten, weil jahrelang nicht modernisiert worden sei. Er mache keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Apotheken, genauso wenig wie er in seiner Offizin eine Zwei-Klassen-Medizin je nach Geldbeutel praktiziere.
Im Durchschnitt bleibe er drei Stunden in der Apotheke. „Ich versuche, den Betrieb nicht zu stören und sehe mich erst einmal alleine um.“ Es sei auch nicht nötig, dass der Chef dabei ist, doch meistens wollten die Inhaber anwesend sein. „Je nach Engagement kriegt man auch eine Apotheke in Schieflage, wieder aufs Gleis gewuppt.“ Bei einem aktuellen schweren Fall, versuche er gemeinsam mit dem Inhaber, den Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen.
Ende November wandte er sich per E-Mail an alle Apotheken in seinem Einzugsgebiet: „Heute will ich in einer kurzen Infomail auf die häufigsten Fehler und Fragen eingehen.“ Er erklärte, dass das Labor kein Abstellplatz sei, dass Filialisten Rezepturen zentralisieren dürften und dass er wegen der Personalkontrolle unangemeldet kommt. „Der Pharmazierat hat nicht die Kompetenz, einfach eine Apotheke zu schließen.“ Außer, kein Approbierter sei vor Ort.
Über die positive Resonanz auf seine E-Mail von den Kollegen hat er sich gefreut. Künftig will er sie über aktuelle Beschlüsse und Empfehlungen informieren. „Mein Ziel ist es, die Apotheken in dem mir zugeteilten Bereich auf einen einheitlichen Standard zu bringen. Nur wenn wir diesen einheitlich auf hohem Niveau umsetzen, ist unsere Standesvertretung in der Position, unsere Qualitätsstandards politisch auch gegenüber dem Versandhandel zu fordern.“ Die meisten Apotheken leisteten gute bis sehr gute Arbeit. Einige wenige Apotheken hätten noch Investitionsstau und Nachholbedarf. Becker bietet dabei seine Unterstützung an und will motivieren. „Denn wir alle sehen ungern die TV-Sendungen, in denen Lotterbuden mit schlechter Beratungsleistung als Beispiele der deutschen Apotheke ausgewiesen werden.“