Moers

Der Apotheker, der die Praxen baut

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Berlin -

Apotheker, Unternehmer, Investor, ehemaliger erfolgreicher Leistungssportler und Sportmäzen: Günter Krivec ist in Moers eine Größe, wenn auch umstritten. An Visionen mangelt es dem Pharmazeuten nicht. In den vergangenen Jahrzehnten hat er es geschafft, ein erfolgreiches Unternehmen rund um seine Apotheken aufzubauen. Seinen Erfolg sieht der Apotheker und Investor auch darin begründet, dass er sich den „allgemein verfügbaren Vorstellungen der Apothekerschaft“ nicht anpasst.

Das erste, was beim Betreten des neuen Ärztehauses am Sankt Josef Krankenhaus in Moers auffällt, ist der luftige Atriumhof, um den herum sich die vier Geschosse des Gebäudes erheben. „Das ist ideal für Veranstaltungen“, sagt Krivec. Vor allem aber bringt das 10,5 Millionen Euro teure Projekt auf 3800 Quadratmeter Fläche nicht nur niedergelassene Ärzte und Krankenhaus näher zusammen, sondern beherbergt auch die von Krivecs Sohn geführte Aeskulap-Apotheke. „Das Ärztehaus ist eine Antwort auf die veränderten Rahmenbedingungen in Moers“, sagt der Apotheker. „Es ging mir auch darum, die berufliche Zukunft meiner Kinder zu sichern.“ Denn immerhin drei seiner sieben Kinder sind Pharmazeuten. Insgesamt gehören der Familie derzeit sechs Apotheken.

Es ist bereits das zweite Ärztehaus, das der Apotheker in Moers errichtet hat. Auch einige Praxisräume in der Innenstadt sind unter seiner Federführung rund um seine Adler-Apotheke entstanden. Nun ist ein drittes Ärztehaus am Krankenhaus Bethanien geplant. Die Realisierung hängt davon ab, ob es bis Ende des Jahres gelingt, die geplanten Praxen zu vermieten. Denn auf „gut Glück“ macht Krivec nichts.

Er ist überzeugt davon, dass der Trend zu einer immer engeren Kooperation zwischen Kliniken und Praxen anhalten wird. So habe beispielsweise in Krefeld der Klinikkonzern Helios Arztpraxen bereits in großem Stil aufgekauft und an die örtlichen Kliniken angebunden. Diese Entwicklung habe auch die Standortbedingungen der Apotheker erheblich verändert, so Krivec. Sie müssten sich entweder diesen Veränderungen stellen – oder würden mit der Zeit vom Markt verschwinden.

Nach Krivecs Auffassung wird ein Großteil der Apotheken in den kommenden Jahren aufgeben müssen. „Erhalten bleiben Apotheken in extrem guten Lauflagen, Apotheken, die entweder um sich herum Arztpraxen geschart haben beziehungsweise den Ansiedlungen von Praxen in Krankenhausnähe gefolgt sind“, so der Apotheker. Alternativen seien besondere Dienstleistungen wie die Sterilherstellung für verschiedene ärztliche Fachrichtungen, die Einbindung in Palliativnetzwerke, die Altenheimversorgung und Homecare.

Er selbst hat diese Strategie schon frühzeitig verfolgt. Als er die Adler-Apotheke in Moerser Altstadt übernahm, sei sie „eine traditionsbeladene renommierte Apotheke“ gewesen, allerdings mit einem bescheidenen Umsatz. Weit und breit sei kein Arzt zu finden gewesen. Zudem war mit der 200 Jahre alten Löwen-Apotheke ein starker Konkurrent nur einen Katzensprung entfernt. „Die Frage war damals: Wie gelingt es, Arztpraxen in einer Altstadt mit kleinmaßstäblichen Häusern ohne Aufzüge, aber dafür mit veralteten Treppenhäusern, anzusiedeln“, erläutert Krivec. Seine Antwort: Gar nicht.

Der Apotheker beschloss stattdessen, Praxisräume im Umkreis seiner Adler-Apotheke einfach neu zu bauen. Innerhalb der folgenden 20 Jahren sind einige davon entstanden. Nach jahrelanger Vorbereitung hat der Apotheker außerdem das Ärztehaus im Zentrum der Altstadt errichtet und damit den Standort der Adler-Apotheke und der Apotheke am Neumarkt, geleitet von seiner Tochter, gesichert. Aufgrund der guten Beziehungen zum St. Josef Krankenhaus, das von der Adler-Apotheke beliefert werde, sei es vor wenigen Jahren gelungen, ein Grundstück zur Erbpacht zu erhalten. Darauf entstand das neue Ärztehaus, das vor Kurzem eröffnet wurde.

Krivec betreibt diese Projekte, wie er sagt, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits ist er davon überzeugt, dass Arztzentren und Apotheken in Krankenhausnähe die Zukunft gehört. Andererseits weiß der Besitzer zahlreicher Liegenschaften in der Altstadt auch, dass durch die Errichtung von Ärztehäusern und die Konzentration von Arztpraxen an Krankenhäusern die Innenstadt an Publikumsverkehr verliert. Doch Krivec ist nicht nur Apotheker, sondern ein nüchterner Geschäftsmann, der Realitäten und sich ändernde Rahmenbedingungen frühzeitig erkennt und seine Strategie danach ausrichtet.

Was man nicht im Studium lerne: Dass auch ein Apotheker ein Kaufmann sein müsse, gibt Krivec zu bedenken. Die wirtschaftliche Ausbildung habe er daher von Helmut von der Linde, dem früheren Inhaber des Privatgroßhändlers von der Linde, nunmehr Sanacorp, erhalten. „Er hat mich in vielen persönlichen Gesprächen in betriebswirtschaftlicher Hinsicht unterrichtet und seine Ansicht eines ehrenwerten Kaufmanns auch als Apotheker beigebracht“, erinnert sich der Pharmazeut.

Diese Ansichten seien so unterschiedlich von der beruflichen Auffassung vieler seiner Kollegen, dass er von Anfang an vermied, geschäftliche Kontakte aufzuziehen oder sich den „allgemein verfügbaren Vorstellungen der Apothekerschaft“ anzupassen. Mit seiner Strategie sei er vielmehr den Worten seines Vaters gefolgt: „Wenn’s brennt, renne nicht zum Notausgang, da wirst du erdrückt. Suche einen anderen Weg.“ Noch heute unterhält Krivec kaum Kontakte zu seinen Kollegen. „Sie verstellen mir den Blick“, sagt der erfolgreiche Apotheker unverblümt.

Krivec stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater war Bergmann auf der Zeche „Rheinpreußen“ in Moers-Meerbeck. „Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, auch wenn sich meine Eltern nicht viel leisten konnten“, erzählt er. Doch ihrem Sohn ermöglichten sie eine gute Schulausbildung, die Grundlage für sein Pharmaziestudium in Mainz war. „Es waren finanzielle Gründe, die dafür den Ausschlag gegeben haben“, so der Apotheker. Denn als Vorexaminierter konnte Krivec während des Studiums arbeiten und sich so die Hochschulausbildung finanzieren.

Parallel entwickelte sich Krivec zu einem erfolgreichen Dreispringer. Nach dem bestandenen Vorexamen qualifizierte er sich 1964 für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio mit der europäischen Jahresbestleistung von 16,29 Metern. Beim Großereignis verletzte er sich jedoch im Vorkampf, sodass er bei der Entscheidung nur Zuschauer war.

Nach seiner Rückkehr erhielt er eine Anfrage vom Leiter des Institutes für Leibesübungen der Universität Mainz, der damaligen Hochburg der Leichtathletik in Deutschland, ob er für den USC Mainz starten wolle. Das Ganze war mit einem gut dotierten finanziellen Angebot der Neckermann Stiftung für Hochleistungssportler und der Zusage eines Studienplatzes ohne Wartezeit am pharmazeutischen Institut der Universität Mainz verbunden.

Studienplatz, finanzielle Unabhängigkeit, Laborplatz keine 100 Schritte weit von der Sportanlage entfernt, vier Jahre Studium, Abschluss und gleichzeitig eine weitere Teilnahme an den Olympischen Spielen in Mexiko: „Es konnte mir nichts besseres passieren“, sagt Krivec heute.

Am Ende verzichtete er auf einen Start in Mexiko, weil er mit dem Termin der Examensprüfung kollidierte. „Sie haben Höchstleistungen im Studium und im Sport erzielt, nun zeigen Sie dies auch in der Ausübung Ihres Berufes“, soll der Institutsleiter der Pharmazie in der Abschlussprüfung zu Krivec gesagt haben. „Diesen Rat versuche ich bei allem, was ich tue, zu befolgen“, so der Apotheker.

Noch vor wenigen Monaten stand der umtriebige Pharmazeut eigenen Angaben nach rund 30 Stunden hinter dem HV-Tisch seiner Adler-Apotheke. Nun will er sich nach und nach aus der Apotheke zurückziehen. „Ich möchte keinen abrupten Schnitt“, sagt er. „Die Kunden sollen langsam an die jüngere Generation gewöhnen.“ Bis Ende 2018 soll der Generationenwechsel vollzogen sein. Krivec will sich dann anderen Aufgaben in seinem Unternehmen widmen. Und davon gibt es inzwischen eine ganze Menge.

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