Ein bisschen Provokation ist nie verkehrt, wenn man die lieben Kunden zum Nachdenken bringen möchte. Apotheker Michael Mantell aus Dortmund hat gerade mit einem frechen Facebook-Post aufgerüttelt. Es geht um die Apotheke vor Ort und wer sie bedroht. Er setzt dabei auf Florett statt Planierraupe.
„Die Stifts-Apotheke hat heute ab 9 Uhr bis 9 Uhr Montag Notdienst und sorgt auch an einem Sonntag für eine wohnortnahe, unverzügliche, sichere Arzneimittelversorgung. Eine Versandapotheke bietet diesen Service nicht, aber an solchen Tagen sind wir auch für die Online-Smart-Shopper selbstverständlich dienstbereit“, hat er gepostet.
Sachlich-freundlich, ohne die Online-Shopper in die Ecke zu drängen. „Ich wollte niemanden beleidigen“, sagt er, „aber ich wünsche mir, dass viele Mitbürger, die unsere Nacht- und Notdienste nutzen, darüber nachdenken, dass eine Versandapotheke das nicht bietet.“ Die Online-Resonanz war beeindruckend, rund 70 User meldeten sich. „Der erste fand, dass das ganz schön mutig von mir sei“, sagt Mantell. „Finde ich eigentlich gar nicht, ich meine, es ist normal. Viele Kollegen haben Angst, solche Postings zu schreiben, weil die Reaktionen im Internet oft heftig sind.“
Die meisten User haben Apotheker Mantell diesmal bestärkt. „Einer schrieb: 'Danke, dass Sie Notdienst machen.' Das habe ich lange nicht mehr gehört.“ Das Thema Online-Konkurrenz beschäftigt alle Apotheker im Land. Jeder hat so seine eigene Philosophie. Die einen stecken den Kopf in den Sand und hoffen das Beste. Wird schon werden. Die anderen poltern laut. Und dann gibt es Pharmazeuten wie den Dortmunder. Er hebt sanft den Online-Zeigefinger und lädt zum Mit- und Nachdenken ein. „Die Menschen müssen wissen, dass es das Problem gibt“, sagt er.
Im normalen Kundengespräch schneidet er es allerdings nicht an. Seine Erfahrung: „Eigentlich haben nur jene Verständnis, die davon betroffen sind. Abstrakt kann sich das ja kaum jemand vorstellen, wenn die Apotheke vor Ort nicht mehr da ist und es keinen Notdienst mehr gibt. Aber Holland liefert nachts keine Paracetamol-Zäpfchen, wenn das Kind 40 Grad Fieber hat.“ Erst wenn die lieb gewonnene Apotheke schließt und die Kunden weitere Wege auf sich nehmen, steigt das Verständnis für die Sorgen der Apotheke vor Ort.
Es sind die kleinen Erlebnisse, die den Apotheker froh stimmen. „Die Bereitschaft der Menschen, für eine Mehrleistung auch etwas zu bezahlen, ist besser geworden. Aber die Sache mit dem Anspruchsdenken ist leider schlechter geworden.“ Im Klartext: Die Kunden gehen davon aus, dass in Apothekern ein kleiner Duracell-Hase werkelt, der sie mühelos und mit Elan normale Dienst, Nachtdienste und gleich anschließend wieder einen normalen Dienst absolvieren lässt.
„Im letzten Notdienst rief eine Frau an, ob wir auch Urinbecher hätten, denn ihr Mann müsste am Tag darauf einen abgeben“, erzählt Mantell. „Er hat die 2,50 Euro Notdienstgebühr anstandslos bezahlt.“ Der Becher kostet 25 Cent. „Kürzlich kam nachts um drei Uhr ein Kunde und fragte, ob er mich geweckt hätte“, erzählt Mantell. „Ja, natürlich haben Sie mich geweckt, habe ich geantwortet. Ich schlafe hier und morgen habe ich einen ganz normalen Arbeitstag.“
Der Kunde staunte. „Viele wissen das gar nicht. Aber wir Apotheker sind damit nicht allein, auch die Ambulanzen sind nachts und am Wochenende überfüllt.“ Der Kunde dachte, dass der Apotheker am Tag nach dem Nachtdienst frei hätte. Fehlanzeige. „Der Bevölkerung ist nicht klar, dass wir das neben unserem normalen Job machen“, sagt Mantell. Zeit für ein neues Facebook-Posting.
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