Defekturen im Fadenkreuz der Aufsicht: Apotheken in Berlin bekamen zuletzt unangekündigten Besuch vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). Die Gesandten vom Referat I B, Apotheken- und Betäubungsmittelwesen prüfen, ob die Voraussetzungen für Defekturen erfüllt sind. Die Behörde droht mit dem Staatsanwalt. Ein ähnlicher Fall war zuletzt aus Sachsen bekannt geworden.
Die Überwachung der Arzneimittelherstellung sowie die Apothekenaufsicht zählen zu den wichtigen sicherheitsrelevanten Aufgaben des LAGeSo. In diesem Rahmen wird den Apotheken auch ein unangekündigter Besuch abgestattet. Im aktuellen Fall geht es um „die Überprüfung des Vorliegens der arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen für eine Defekturherstellung“. In der Regel fänden diese Kontrollen nur statt, „wenn dem LAGeSo konkrete Hinweise auf entsprechende Rechtsverstöße vorliegen“, teilt die Behörde auf Nachfrage mit.
Defekturen fallen unter den Begriff eines Fertigarzneimittels nach § 4 Arzneimittelgesetz (AMG) und sind gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Arzneimittel, die „im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus an einem Tag in bis zu 100 abgabefertigen Packungen oder in einer diesen entsprechenden Menge hergestellt“ werden.
Für die Herstellung auf Vorrat bedarf es laut § 21 AMG keiner Zulassung, wenn das Produkt zur Anwendung beim Menschen bestimmt ist und aufgrund einer „nachweislich häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung“ erfolgt. Dem Vernehmen nach prüft das LAGeSo das Vorliegen der Verschreibungen, denn die betroffenen Apotheken sollen Defekturen auf der Grundlage häufiger Verschreibungen vom Heilpraktiker hergestellt haben. Fehlen Rezepte vom Arzt oder Zahnarzt, sind diese laut LAGeSo beizubringen.
„Um diese Ausnahme von der Zulassungspflicht im Falle der Herstellung von Fertigarzneimitteln im Defekturmaßstab in Anspruch nehmen zu können, muss der Nachweis der häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung vor der Herstellung in der Apotheke vorliegen und auf Nachfrage der zuständigen Aufsichtsbehörde zur Einsichtnahme vorgelegt werden können“, mahnt die Behörde.
Fand die Herstellung im Defekturmaßstab ohne Grundlage einer häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung statt und können Rezepte nicht vorgelegt werden, „liegt ein Verstoß gegen § 21 Absatz 1 AMG (Inverkehrbringen von der Zulassungspflicht unterliegenden Arzneimitteln ohne die erforderliche Zulassung) vor“. Die Behörde meint es ernst: „Gemäß § 96 Nr. 5. AMG handelt es sich hierbei um eine Straftat. Durch das LAGeSo würde in einem solchen Fall eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgen.“
Die Überprüfung erfolge stichprobenartig im Rahmen der Regelbesichtigungen, oder anlassbezogen wenn der Behörde entsprechende Hinweise auf Rechtsverstöße vorlägen. Wie viele Apotheke betroffen sind, wollte das LAGeSo nicht mitteilen. Eine zahlenmäßige Erfassung finde nicht statt.
Ein Apotheker aus Dresden muss sich in einem ähnlichen Fall bereits vor Gericht verantworten. Strittig ist die Frage, ob auch Verschreibungen anerkannt werden, die nicht von Ärzten oder Zahnärzten – wie es § 21 AMG fordert – ausgestellt waren, sondern von Heilpraktikern. Laut Christian Bauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD), gelten solche Verordnungen grundsätzlich nicht.
Der Apotheker aus Sachsen stellt Arzneimittel als Defektur her, die nicht verschreibungspflichtig sind und regelmäßig von Heilpraktikern verordnet werden. Hierbei handelt es sich um eine komplexe zentral durchgeführte Sterilherstellung. Bei der Herstellung entsteht stets die doppelte Menge, somit müsste die Hälfte der Ampullen verworfen werden.
Da die Zubereitung sehr aufwendig ist, werden zehn abgabefertige Packungen auf einmal hergestellt. Auch die Schwelle von 100 Einheiten pro Tag wird nicht überschritten. Dies entspricht der Definition einer Defektur, wenn die Krux mit der häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung nicht wäre.
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