Verstoß gegen Arzneimittelrecht und gefälschte Promotionen

Apotheker vor Gericht: Falsche Pillen, falscher Doktor

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Berlin -

Gegen den ehemaligen Inhaber einer Apotheke in Schwaben wurde Anklage erhoben: Ab dem 9. Dezember steht er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Schwager vor Gericht, weil er unter hygienisch unhaltbaren Zuständen Nahrungsergänzungsmittel hergestellt haben soll, die verschreibungspflichtige Wirkstoffe enthielten. Doch die hunderte Seiten umfassende Anklage offenbart noch weitere mutmaßliche Machenschaften der drei.

Über anderthalb Jahre haben die Ermittlungen gegen Apotheker Michael L., seine Frau und seinen Schwager nun gedauert und zumindest quantitativ haben sie auch einiges produziert: Vier Bände Anklage und 42 Sonderbände mit Beweismitteln hat die Staatsanwaltschaft Memmingen zusammengetragen, jeder einzelne Band hat rund 200 Seiten. Und es gab bisher auch schon so einiges zu berichten: L. soll nämlich als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Produkte vertrieben haben, die verschreibungspflichtige Substanzen enthielten. Konkret handelte es sich um Procain und Roten Reisschalenextrakt. L. hatte Präparate verkauft, die beides enthielten. Laut Polizei hat er damit nicht als solche deklarierte Defekturarzneimittel hergestellt und sowohl über seine Apotheke, deren Filiale, die von seiner Frau geführten Apotheke im selben Ort und die von seinem Schwager betriebene Apotheke vertrieben. Auch über den Online-Shop seiner Apotheke habe L. die Produkte verkauft.

Im Juli 2019 hatten Beamte der Kriminalpolizei mit Unterstützung einer Ermittlergruppe und Pharmazeuten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) die Apotheke und das private Wohnhaus von L. deshalb durchsucht und nach Polizeiangaben haarsträubende Zustände vorgefunden: In geheimen Kellerräumen unter seinem Privathaus soll er unter hygienisch katastrophalen Bedingungen zwischen alter Munition und Betäubungsmitteln Nahrungsergänzungsmittel hergestellt haben, die noch dazu grob falsch dosiert waren. Die Beamten sprachen unter anderem davon, dass „der Boden von einer mehrere Millimeter dicken, klebrig braunen bis schwarzen, undefinierbaren Substanz überzogen war, an der die Schuhsohlen und auch die Schuhüberzieher bei jedem Schritt deutlich festklebten“, von einem „äußerst unangenehmen, süßlich- beißenden Geruch“ und einer „an verschiedenen Stellen mehrere Millimeter hohe klebrige Staubschicht“. Betäubungsmittel seien ungesichert in einem stark verschmutzten Kühlschrank gelagert worden und weitere medizinische Stoffe in unterschiedlichsten Behältnissen, darunter alte Keksdosen, Büchsen und beschriftete Eimer.

Kurz darauf verpflichtete das Landratsamt L. dazu, einen Aushang im Schaufenster seiner Apotheke anzubringen, auf dem vor den von ihm hergestellten Nahrungsergänzungsmitteln gewarnt wurde. Es folgten der Entzug der Betriebserlaubnis und die Schließung der Apotheke. Bis vor kurzem ermittelte die Staatsanwaltschaft weiter und hat nun ihre Anklageschrift vorgelegt, die neben den bereits bekannten Vorwürfen noch einige neue enthält.

In der Anklage wird allen dreien laut Staatsanwaltschaft der Verstoß gegen § 96 Arzneimittelgesetz (AMG) vorgeworfen, weil sie Fertigarzneimittel hergestellt, bevorratet und verkauft haben sollen, die nicht zugelassen sind. L.s Frau wird dabei laut Staatsanwaltschaft nicht die Herstellung, sondern nur die Bevorratung und der Verkauf der Mittel vorgeworfen. Dem Schwager von L. wiederum wird laut Staatsanwaltschaft nicht vorgeworfen, die besagten Mittel hergestellt und verkauft zu haben, sondern bei ihm hat sich in den Ermittlungen offenbar ein gänzlich anderer Verdacht erhärtet: Er soll nicht zugelassene Arzneimittel aus China importiert, in die Niederlande exportiert, wieder reimportiert und dann verkauft haben – mutmaßlich, um die Lieferkette zu verschleiern.

Was genau es mit der Vorgehensweise auf sich gehabt haben soll und um was für Arzneimittel es sich handelte, konnte die Staatsanwaltschaft jedoch auf Anfrage nicht genauer erklären. Da beide Arzneimittel gemeinsam gelagert und abverkauft wurden, wird der Vorgang aber juristisch als eine Tat gewertet. § 96 AMG sieht für die vorgeworfene Tat einen Strafrahmen von bis zu einem Jahr Gefängnis oder eine Geldstrafe vor. Und dann müssen sich L. und seine Frau noch gegen einen weiteren neuen Punkt verteidigen: Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, ihre Doktortitel unberechtigt getragen zu haben und gefälschte Promotionsurkunden zu besitzen. L. und seine Ehefrau waren auf Anfrage nicht erreichbar, der Schwager wollte das bevorstehende Verfahren nicht kommentieren.

Das beginnt am 9. Dezember und könnte sich allein der umfangreichen Beweiserhebung wegen über Monate hinziehen. Dabei befürchten L.s Anwälte offenbar schon vor Prozessbeginn eine Benachteiligung ihres Mandanten: Sie hatten nämlich Widerspruch gegen den Entzug der Betriebserlaubnis eingelegt und hatten das auch damit begründet, dass eine Aussetzung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung notwendig sei, weil er sich parallel noch in einem Strafverfahren verantworten muss. Eine solche Vorentscheidung könnte ihn demnach in dem Strafrechtsverfahren vorbelasten. Vereinfacht gesagt: Es ist schwer, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, wenn das Landratsamt mit dem Entzug der Betriebserlaubnis bereits Tatsachen geschaffen hat.

 

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