Defektur: Aufsicht zeigt Apotheker an Nadine Tröbitscher, 14.08.2018 10:14 Uhr
Der Begriff Defektur ist klar definiert. Dennoch bleiben Fragen offen, wenn es sich um Zubereitungen handelt, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen. In Dresden kämpft ein Apotheker vor Gericht um eine komplexe Sterilrezeptur, die aufgrund einer häufigen Verschreibung durch einen Heilpraktiker hergestellt wird. Die Aufsicht hatte ihn kurzerhand wegen Inverkehrbringens nicht zugelassener Arzneimittel bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Ein Defekturarzneimittel ist gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) „ein Arzneimittel, das im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus an einem Tag in bis zu 100 abgabefertigen Packungen oder in einer diesen entsprechenden Menge hergestellt wird“. Der Herstellung auf Vorrat bedarf es laut § 21 Arzneimittelgesetz (AMG) keiner Zulassung, wenn das Produkt zur Anwendung beim Menschen bestimmt ist und aufgrund einer „nachweislich häufigen ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung“ erfolgt.
In Dresden geht es um folgenden Fall: Der Apotheker stellt Arzneimittel als Defektur her, die nicht verschreibungspflichtig sind und regelmäßig von Heilpraktikern verordnet werden. Grundlage für die Zubereitungen sind die Vorgaben der Firma Dyckerhoff. Die Apotheke führt die komplexe Sterilherstellung zentral durch und erhält Verschreibungen aus dem ganzen Bundesgebiet. Bei der Herstellung entsteht stets die doppelte Menge, somit müsste die Hälfte der Ampullen verworfen werden. Da die Zubereitung sehr aufwendig ist, werden zehn abgabefertige Packungen auf einmal hergestellt. Auch die Schwelle von 100 Einheiten pro Tag wird nicht überschritten. Dies entspricht der Definition einer Defektur.
Schon am Erfordernis der häufigen Verschreibung hatte die Aufsicht Zweifel. Hier verwies der Steuerberater und Rechtsanwalt Stefan Kurth von der Kanzlei Schneider und Partner als Anwalt des Apothekers jedoch auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München aus dem Jahr 2006. Demnach sind 20 Verschreibungen pro Monat ausreichend; zudem sei die Herstellung auf Vorrat begründet, wenn dies wirtschaftlich und pharmazeutisch sinnvoll sei. Da es sich im konkreten Fall um eine durchaus aufwendige Sterilrezeptur handele, dürften auch weniger als 20 Verordnungen im Monat grundsätzlich ausreichend für eine Defektur sein, ist der Anwalt überzeugt.
Strittig ist dagegen nach wie vor die Frage, ob auch Verschreibungen anerkannt werden, die nicht von Ärzten oder Zahnärzten – wie es § 21 AMG fordert – ausgestellt waren, sondern von Heilpraktikern. Das Problem: Legt man das Gesetz streng aus, sind Defekturen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel ausgeschlossen.
Anders verhält es sich bei Rezepturen. Nach § 7 ApBetrO erfolgt die Herstellung eines Arzneimittels „auf Grund einer Verschreibung von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind“. Demnach kann auch die häufige Verschreibung eines Heilpraktikers Grundlage für die Herstellung einer Rezeptur sein.
Für Kurth ist kein logischer Grund ersichtlich, warum die Defektur anderen Voraussetzungen unterliegen soll. „Die strenge Auslegung des Gesetzes führt hier gerade zu einem widersinnigen Ergebnis im Sinne der Arzneimittelsicherheit.“
Entscheidend sei, dass das AMG europakonform auszulegen sei. Entsprechend einer EU-Richtlinie könnte der Begriff der „ärztlichen Verschreibung“ neu definiert werden. Denn dort ist diese definiert als „jede Verschreibung von Arzneimitteln eines Angehörigen eines Gesundheitsberufes, der dazu befugt ist“. Und somit ist der Heilpraktiker wieder im Spiel, da er als Angehöriger eines Gesundheitsberufes gilt. Denn der Heilpraktiker beschäftigt sich mit der Heilung und Linderung von Krankheiten, Leiden und Körperschäden. Nach dem AMG darf der Heilpraktiker zwar keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel verordnen oder herstellen, jedoch jene, die der Apothekenpflicht unterliegen.