Engpässe im Schaufenster

Defektliste: Per Einschreiben an Lauterbach

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Berlin -

Per Einschreiben schickte Ingrid Schierle, Apothekerin der StorchenApotheke in Gerzen, an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Liste mit allen Artikeln, die derzeit von Lieferengpässen betroffen sind. „Allein bei uns in der kleinen Dorfapotheke in Bayern stehen etwa 300 Medikamente auf der Defektliste. Man mag sich kaum vorstellen, wie das bei den großen Apotheken in den Städten aussieht“, so Schierle. Mittlerweile sei sie schmerzfrei, was den Austausch von nicht lieferbaren Medikamente angeht: „Alles, was halbwegs in die Richtung der Verordnung geht, bekommten die Patient:innen, damit sie irgendwie versorgt sind.“

Schierle schickte die Liste mit den etwa 300 Defektartikeln per Einschreiben mit Rückschein an das Bundesgesundheitsministerium (BMG): „Ich habe schon viele Briefe geschrieben, aber bis jetzt kam noch nie eine Bestätigung, geschweige denn irgendeine Reaktion“, so die Apothekerin. Diesmal setzt sie dabei auf eine haptische Umsetzung: „Irgendwer im BMG muss das Schreiben erhalten und die Empfangsbestätigung unterschrieben haben. Vielleicht ist das etwas nachdrücklicher als E-Mails, man hat direkt etwas in der Hand“, so die Apothekerin.

Anlass für ein erneutes Schreiben an den Minister war für Schierle die prekäre Aussage im ARD-Morgenmargazin vergangene Woche: „Lauterbach hat schlicht Falschaussagen getätigt. Wir sind nicht die reichen Apotheker:innen, die jetzt Panik verbreiten wollen zu den angeblich kaum vorhandenen Lieferengpässen.“ Laut Aussage der Treuhand sei jede zehnte Apotheke defizitär und jeder dritte Betrieb in seiner Existenz bedroht. „Ich erwarte eine Antwort von Lauterbach. Denn mittlerweile gibt es Engpässe von Aarane bis Zopiclon. Bald bei jedem Rezept haben wir Mehraufwand, weil es so knapp um Medikamente steht“, so die Apothekerin.

Defektlisten im Schaufenster

Von den Kolleg:innen wünscht sich Schierle zudem erneuten Schulterschluss: „Wir müssen alle zusammen handeln, und es sollen alle mitmachen. Ich habe die Defektliste ausgedruckt und ins Schaufenster gehängt, so dass alle sehen können, wie massiv die Engpässe wirklich sind.“ Die Kunden und Kundinnen reagieren bereits darauf: „Sie sind sensibler für das Thema geworden und sehen, was für einen Mehraufwand wir haben, um die Versorgung aufrecht zu halten“, so Schierle.

Mittlerweile sei Schierle auch schmerzfrei, was den Austausch angehe: „Ich gebe ab, was ich habe oder besorgen kann und was halbwegs in die Richtung der Verordnung geht. Wenn beispielsweise Isopto Max aufgeschrieben und nicht lieferbar ist, dann bekommt der Patient oder die Patientin von uns eine ähnliche Kortison-Antibiotikum-Kombi. Ich sehe es auch nicht ein, dafür ein neues Rezept zu besorgen, sondern drucke die Sonder-PZN auf, um die 50 Cent zu erhalten. Ansonsten fällt doch meine ganze Arbeit einfach unter den Tisch“, so die Apothekerin.

Weichspülgang adieu

Grundsätzlich sei Schierle für jede Form von Streik: „Dieser Weichspülgang muss aufhören. Eine dreistündige Aktion verpufft bei uns nur. Wir haben sowieso geschlossen. Am besten wäre, wir würden Montags schließen.“ Ob das juristisch erlaubt wäre? „Jeden Protest, den ich juristisch abklären muss, ist doch kein echter Protest mehr. Wir müssen auf die Barrikaden gehen und uns am besten den Ärzt:innen anschließen“, so Schierle.

Denn täten die Apotheken es nicht, wäre das Szenario vorprogrammiert: „Die Patient:innen kämen dann zu uns in die Apotheke und würden um Vorablieferungen bitten, da die Praxen geschlossen sind. Wer ist also wieder der Depp und rennt den Rezepten hinterher? Wir!“, so Schierle. „Der Lauterbach kann ja selbst mal mit den Menschen diskutieren, anstatt solche frechen Aussagen wie im Morgenmagazin zu tätigen.“ Wie er dann eine Amoxicillin-Tablette teilt und den Eltern erklärt, dass das Kind diese schlucken soll anstatt den aromatisierten antibiotischen Saft, das will ich sehen“, ärgert sich Schierle.

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