E-Rezept

DAV-Pilotprojekt: Noventi fühlt sich ausgebootet

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Berlin -

Die E-Rezept-Projekte der wichtigsten Marktplayer kommen in die heiße Phase – und schon beginnen die Verteilungskämpfe: Nach dem Streit um die Blockadehaltung von CGM Lauer bei Gerda schießt Noventi nun wiederum gegen den Deutschen Apothekerverband (DAV) und den Berliner Apothekerverein (BAV). Der Vorwurf: BAV und DAV haben sich bei der Entwicklung ihres E-Rezeptes kräftig von Noventi unter die Arme greifen lassen – und das Softwarehaus dann ausgebootet.

Bei Noventi ist man momentan nicht gut auf die Berliner Apotheker zu sprechen. Die Vorwürfe sind hart: BAV und DAV hätten das Berliner E-Rezept auf Grundlage von Noventi-Technologie aufgebaut, Noventi daraufhin aber von der Durchführung ausgeschlossen. „Das Berliner Projekt baut komplett auf Gerda auf“, heißt es vom Softwareanbieter. So werde in Berlin zwar zwecks Verwendung der DAV-WebApp ein anderer Barcode verwendet als im Ländle – der Rest sei aber im Wesentlichen identisch. Noventi hatte nach eigenen Angaben eine maßgebliche Rolle bei der Konzipierung des E-Rezepts in Baden-Württemberg gespielt, unter anderem stellt der IT-Konzern den E-Rezept-Speicher, auf dem die digitalen Verordnungen abgelegt werden.

Über die NGDA ist Noventi auch an der Entstehung des derzeitigen Berliner E-Rezept-Projekts beteiligt gewesen – jener Noventi-Rezeptspeicher kommt auch in Berlin zum Einsatz. Dafür habe man sogar Konfigurationen am System vorgenommen. Dennoch: Für Apotheken, die Warenwirtschaftssysteme von Awinta benutzen, sei nach wie vor nicht klar, ob sie das Berliner E-Rezept empfangen und verarbeiten können. Auch die VSA als Rechenzentrum sei vom Projekt ausgeschlossen, stattdessen setzen BAV und DAV auf die Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker (RBA), die wiederum die technische Infrastruktur des ARZ Haan nutzt.

Noventi fühlt sich deshalb übergangen, nicht zuletzt weil über die NGDA offenbar schon mehrfach Versuche unternommen wurden, Klarheit über eine mögliche Anbindung herzustellen. Von Noventi-Seite stehe zwar ein Update zur Verfügung, das die Anbindung von Awinta-Systemen an das Berliner E-Rezept-Projekt ermöglichen würde. Vonseiten des BAV und DAV seien aber bisher keine Rückmeldung und keine Informationen gekommen – anders als bei der Konkurrenz. So wisse man, dass Pharmatechnik bereits im Bilde sei. Auch Nutzer von ADG-Systemen wissen dem Vernehmen nach schon, dass sie teilnehmen können. Bei Awinta wiederum gingen in letzter Zeit immer wieder Anfragen von Kunden ein, die sich am Projekt beteiligen wollen. Denen müsse man dann sagen, dass man leider selbst noch nichts tun könne.

Mehrere Awinta-Nutzer wollen also offensichtlich teilnehmen. „In diesem Berliner Projekt werden die Erfahrungen von erfolgreichen Marktteilnehmern wie Noventi aber scheinbar nicht priorisiert beziehungsweise nicht zugelassen“, kritisiert Vorstandschef Dr. Hermann Sommer. Noventi stehe weiterhin bereit, sich mit den Erfahrungen aus Gerda und weiterer Expertise an dem Berliner Projekt zu beteiligen. Der BAV wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Man werde das gegebenenfalls direkt mit Noventi klären.

Für Noventi ist es eine denkbar schlechte Situation angesichts der Vorschuss-Lorbeeren, die das Berliner E-Rezept-Projekt derzeit einheimst. Nicht nur hat es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) durch die Förderung des Bundesgesundheitsministeriums geadelt, auch Gematik-Chef Markus Leyck Dieken sieht den DAV auf der „Pole Position“, wie er kürzlich erklärte. „Wir finden, dass da niemand auf einer Pole Position sein sollte. Das ist kontraproduktiv“, heißt es darauf aus dem Hause Noventi. „Wir wollen, dass alle Marktteilnehmer an einen Tisch kommen und fordern freien Marktzugang.“

Damit ist es allerdings auch bei anderen Projekten so eine Sache. Ein ähnlicher Konflikt spielt sich derzeit in Baden-Württemberg ab. Dort können Kunden von Awinta, Pharmatechnik und ADG teilnehmen, nicht jedoch Apotheken, die mit CGM Lauer arbeiten. Allerdings ist der Urheber hier das Softwarehaus: CGM ermöglicht seinen Kunden die Anbindung nicht, dem Vernehmen nach wegen des eigenen E-Rezept-Projekts. „Grundsätzlich halten wir Gerda für ein sehr gutes Konzept“, heißt es auf Anfrage von CGM. „Dennoch ist es nur eines von aktuell 52 E-Rezept-Projekten; diese können natürlich nicht alle an Winapo angebunden werden. Daher haben wir uns zum aktuellen Zeitpunkt nicht gegen Gerda entschieden, sondern vielmehr dafür, unsere Ressourcen zum größtmöglichen Nutzen für unsere gesamte Kundschaft einzusetzen.“ Allerdings: Das eigene E-Rezept-Konzept sei zwar schon fertig und bei der Gematik eingereicht – ein Modellprojekt sei dazu aber nicht geplant.

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