Dauer-Störung: Apotheken und Praxen planen Schichtsystem Laura Schulz, 16.03.2024 08:00 Uhr
Morgens halb 9 in deutschen Apotheken: Vielleicht gibt es hier wirklich schon die erste Schokowaffel des Tages oder einen Schokoriegel, um nicht zur Diva zu werden. Seit mehr als zwei Wochen bekommt Medisign eine anhaltende Störung nicht in den Griff und knockt damit allmorgendliche Tausende Praxen und Apotheken aus. Da muss doch was zu machen sein, denken sich viele. Medisign spricht immerhin inzwischen von „anormale Abfragen“ und einer „erheblichen Last“ am Morgen. Also wird nun in den Schichtbetrieb umgestellt, das System entlastet und damit alles gelöst.
Schon oft hieß es, die Apothekerschaft könne nicht immer nur über Probleme lamentieren. Nein, eigene Lösungsansätze sind gefordert! Das nahm sich eine junge Apothekerin zu Herzen. Nachdem bei Medisign noch immer keine Lösung in Sicht zu sein scheint, selbst die Expert:innen der Gematik nicht helfen konnten, macht sie sich nun selbst Gedanken. Es könne doch schließlich nicht sein, dass diese Störung ihr jeden Morgen mindestens für eine Stunde alle Nerven raubt. Und Kunden dazu.
Was also tun? Zunächst versucht sie die Systeme auszutricksen und verstellt einfach die Zeit bei den entsprechenden technischen Komponenten. Wenn es nicht 8 Uhr ist, kann die Störung vielleicht auch nicht auftreten. Schließlich muss das zum Monatsende sowieso gemacht werden, also kann sie auch gleich auf Sommerzeit umstellen.
Doch damit ist es leider nicht getan. Da also tatsächlich das gleichzeitige Anmelden aller Beteiligten in den Systemen das Problem ist, dürfen sich einfach nicht mehr alle gleichzeitig anmelden. Ganz logisch. Sie denkt sich stattdessen ein System aus, das bei ihrer Kammer und auch den Ärzt:innen sehr gut ankommt: Lieber wechseln sie alle in den Schichtdienst, als noch einen Tag länger diese nervige Störung hinzunehmen.
Abda belohnt schnelle Mitarbeit
Das System ist leicht auf die Beine gestellt: Via KIM wird direkt in Zusammenarbeit mit der Gematik ein Schichtdienst erarbeitet. Das Ziel: Möglichst spät und möglichst früh Versorgungsangebote für die Patient:innen schaffen, damit die Zeit zwischen 8 und 9 Uhr entlastet wird und nicht mehr alles heiß läuft. Diejenigen, die sich für die unbeliebten Zeiten melden, bekommen von der Abda auch ein Paket Kaffee geschenkt.
Das Ganze hat am Ende für das gesamte System einen Mehrwert: Da nun gar keine Volllast mehr zustande kommt, laufen die Systeme insgesamt stabiler. Damit sind die ständigen Störungen zumindest vorerst Geschichte. Wenn nur diese nächtlichen Wartungsarbeiten nicht wären…
Wenn es nicht so traurig wäre...
Zwar entschuldigt sich Medisign bei den Apotheker:innen – wenn auch nicht direkt, sondern über Umwege – trotzdem macht das die Sache nicht besser. Auch Verdienstausfälle durch die ständigen Störungen sieht man beim „Vertrauensdienste-Anbieter“ nicht. Dabei machen sich einige Inhaberinnen und Inhaber tatsächlich schon ernsthaft Gedanken darüber, ihre Öffnungszeiten nach hinten zu schieben um die Störung zu umgehen. Oder statt nur auf Medisign noch auf ein zweites Pferd zu setzen. Natürlich alles auf eigene Kosten und mit erheblichem Zusatzaufwand in Eigenregie.
Dass es stattdessen einfach eine Lösung geben MUSS, ist inzwischen auch bis zur Standesvertretung hinauf kommuniziert. War es erst nur ein einzelner Apotheker, der „eine vollständige Befreiung von der Dienstbereitschaft“ beantragte, meldet sich nun auch endlich der DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann. Bis spätestens Ostern müsse das E-Rezept-System stabil laufen. Sonst – ja, was sonst? „Sollte das nicht gelingen, werden wir uns als Apothekerschaft auch gegenüber den anderen Leistungserbringer-Gruppen im Gesundheitswesen dafür aussprechen, in ein zeitweises Ersatzverfahren überzugehen, um langfristig das Vertrauen in digitale Lösungen zu erhalten.“ Ah ja.
Die Apotheken bleiben also die letzten in der Hackordunug, die zehn Mal immer wieder versuchen, die eGK zu stecken. Währenddessen scharren die Versender mit den Hufen: Eine für sie ideale Lösung, von den E-Rezepten zu profitieren, ist in greifbare Nähe gerückt. Und mittendrin auch noch Herr Jauch, der als vertrauenserweckendes Testimonial für die ausländischen Versender Werbung macht, ohne sich auch nur ein klitzekleines bisschen schuldig zu fühlen. Auch in dieser Woche hat sich somit leider nicht viel getan in Sachen E-Rezept-Probleme für die Apotheken. Nächste Woche könnte das nächste berufspolitische Drama drohen: Karl Lauterbachs Ideen zur Apothekenreform scheinen finalisiert.