Das sagt der Anwalt der Apothekerin APOTHEKE ADHOC, 08.09.2020 14:51 Uhr
Im Fall der tödlichen Glucose-Lösung wirft die Staatsanwaltschaft Köln einer Apothekerin aus der Heilig-Geist-Apotheke offenbar nicht nur vor, durch fahrlässiges Verhalten den Tod eines Menschen sowie eine Körperverletzung verursacht zu haben. Vielmehr solle sie versucht haben, zwei Menschen zu töten, um eine andere Straftat zu verdecken. Dies entbehre jeglicher Grundlage, gibt der Anwalt der Apothekerin, Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Westphalen, zu Protokoll. „Die Vorwürfe sind falsch und werden entschieden zurückgewiesen.“
„Es ist befremdlich, dass sich die Staatsanwaltschaft an entscheidenden Stellen ihrer Argumentation auf Spekulationen stützt statt auf eine gründliche und vorurteilsfreie Auswertung der Akten“, so Douglas, der die Apothekerin gemeinsam mit dem Strafrechtler Professor Dr. Gerson Trüg von der Kanzlei Trüg Habetha vertritt. Ferner lasse die Sichtweise der Staatsanwaltschaft Feststellungen des Ermittlungsverfahrens unberücksichtigt und verstoße gegen „anerkannte Denkgrundsätze“. „Soweit es um den Fahrlässigkeitsvorwurf geht, ist es der Staatsanwaltschaft trotz intensiver und langwierigerer Ermittlungen nicht gelungen, die insoweit entscheidende Frage, wie es zu der Verunreinigung der Glucose mit einem Lokalanästhetikum kommen konnte, zu klären.“
Da das „Wie“ nicht ermittelt werden konnte, scheitert die Staatsanwaltschaft laut Douglas erst recht an der Frage des „Wer“. „Zwar behauptet die Staatsanwaltschaft, unsere Mandantin habe in fahrlässiger Weise die Glucose verunreinigt. Insoweit räumt sie jedoch unmittelbar ein, dass sie hierfür keinen Beweis hat, sondern versucht stattdessen, die Verantwortlichkeit allein dadurch zu begründen, dies lasse sich aus dem Ausschluss anderer Erklärungsmöglichkeiten für die Verunreinigung folgern.“
Dabei beschränkt sich die Begründung laut Douglas im Wesentlichen darauf, dass „alternative Erklärungsmöglichkeiten fern liegend und daher auszuschließen seien“. „Warum dann aber eine mindestens genauso fernliegende Begründung im Hinblick auf unsere Mandantin die Begehung des tragischen Fehlers begründen soll, erschließt sich nicht.“ Der Fehler, der zur Verunreinigung der Glucose geführt hat, sei aus Sicht einer erfahrenen Apothekerin wie seiner Mandantin nicht zu erklären, so Douglas. „Nicht zuletzt aufgrund des Gewichts der Vorwürfe und insbesondere der Vielzahl der alternativen Vorgänge, die nicht ausgeschlossen werden können, wird dieses Konstrukt vor Gericht nicht halten.“
Erst recht gelte dies im Zusammenhang mit dem zweiten Tatvorwurf, wonach seine Mandantin auf die Möglichkeit einer Verunreinigung der Glucose durch ein Lokalanästhetikum nicht hingewiesen habe, um die durch die Staatsanwaltschaft behauptete Fahrlässigkeitstat zu verdecken. „Ungeachtet einer solchen fehlenden Vortat lässt dieser Vorwurf einen ganz zentralen Aspekt außer Acht: Warum hat unsere Mandantin, unmittelbar nachdem sie am 19. September 2019 über den Zusammenbruch des Opfers informiert wurde, das Gefäß mit der Glucose, obgleich hierzu keine rechtliche Veranlassung bestand, sogleich an die Klinik ausgehändigt, wenn sie doch etwas verheimlichen wollte?“
Klar und offenkundig sei gewesen, dass der Glucosebehälter durch die Klinik untersucht werden würde. „Wäre es dann nicht naheliegend gewesen – wenn man den unzutreffenden Vorwurf der Staatsanwaltschaft zugrunde legt –, das Gefäß nicht auszuhändigen und stattdessen zu beseitigen? Dieser Aspekt wird vollkommen ignoriert und stattdessen versucht, aus Spekulationen, die zwischen unsere Mandantin und anderen Mitarbeitern in dieser für alle Beteiligten offensichtlichen Ausnahmesituation zu unterstellen, sie habe bereits damals Kenntnis von der Verunreinigung gehabt und diese Information bewusst nicht weitergeleitet. Wie soll unsere Mandantin damals Kenntnis von etwas gehabt haben, was den Ermittlungsbehörden bis heute nicht gelungen ist aufzuklären?“
Ungeachtet dessen sei der Vorsatz, der der Angeschuldigten in diesem Zusammenhang unterstellt werde, nämlich dass sie den Tod der Opfer billigend in Kauf genommen habe, „vollkommen abwegig“, so Douglas. „Einem Heilberufler zu unterstellen, er würde Erkenntnisse zurückstellen, selbst wenn es um ein eigenes fahrlässiges Vorverhalten geht, bedürfte einer dezidierten Darlegung, da dies jeglicher Lebenserfahrung widerspricht.“
Es könne – nicht zuletzt aufgrund der Komplexität der Arzneimittelversorgung – trotz effektiver Vorsichtsmaßnahmen vorkommen, dass ein falsches Medikament abgegeben werde, so Douglas weiter. „Jeder Mitarbeiter einer Apotheke wird dann aber alles unternehmen, auch in einem solchen Fall etwa die Einnahme zu verhindern. Kein erfahrener Heilberufler, wozu auch unsere Mandantin zählt, würde wegen einem fahrlässigen Verhalten, bei dem keine nennenswerten Konsequenzen drohen, sich so verhalten, wie es die Staatsanwaltschaft vorliegend zu Unrecht unterstellt.“
Insoweit müsse noch einmal vergegenwärtigt werden, was seine Mandantin getan habe, so Douglas: „Sie hat 50 g Glucose aus einem Vorratsbehältnis abgefüllt. Eine Pflichtverletzung, gleich welcher Art, lag bei der Abfüllung nicht vor. Ferner hat unsere Mandantin eine Geschmacksprobe sowohl der Glucose als auch des Lokalanästhetikums genommen – beide waren unauffällig. Sie hat weiter das Behältnis mit der Glucose sofort an die Klinik zur weiteren Veranlassung herausgegeben. Im Anschluss daran hat sie sich jederzeit und uneingeschränkt als Ansprechpartnerin sowohl für die Mitarbeiter des Krankenhauses als auch die dann ermittelnden Behörden zur Verfügung gehalten.“
Douglas: „Der Sachverhalt ist tragisch. Er kann jedoch keine Verurteilung unserer Mandantin wegen der angeklagten Taten begründen. Vor diesem Hintergrund ist die Verteidigung zuversichtlich, dass sich die Unschuld unsere Mandantin im weiteren Verfahren erweisen wird.“