Das ist doch kein Schiedsspruch Alexander Müller, 07.09.2011 11:57 Uhr
Ein kurzer Überblick: 2009 errechnet die Schiedsstelle einen Kassenabschlag von 1,75 Euro. Die Apotheken finden das angemessen, die Kassen nicht, die Klage läuft. 2010 wird neu verhandelt. Die Gremien einigen sich früh auf 1,75 Euro, für beide Jahre, die Klage soll fallen gelassen werden. Dann: Kommando zurück, die AOK und Herr Ballast haben etwas dagegen. Ab ins Schiedsverfahren. Gestern schlägt die Schiedsstelle 1,75 Euro für 2010 vor. Diesmal stimmen die Kassen dafür, die Apotheken dagegen. Und die einst so selbstbewussten Schiedsrichter stellen den neuen Abschlag unter den Vorbehalt, dass der alte der gerichtlichen Prüfung standhält.
Die Entscheidung ist schon merkwürdig: 2009 hatte die Schiedsstelle eine komplizierte Rechnung angestellt, um die Mehrbelastung der Apotheken in Euro und Cent ausdrücken zu können. Über die Kriterien wird vor Gericht gestritten. Wenn die Experten für 2010 nun wieder auf exakt 1,75 Euro kommen, dann klingt das eher nach einer politischen als nach einer mathematischen Lösung.
So ist mittlerweile auch ein Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bei den Verhandlungen dabei. Für die Politik geht es um viel, denn sollten die Apotheker etwa mit einem Inflationsausgleich durchkommen, könnten auch andere Leistungserbringer danach krähen. Nicht ohne Grund hatte das BMG bereits Ende 2009 im Schiedsverfahren interveniert und die Berechnungsgrundlage in Frage gestellt.
Nicht nur die Einmischung der Politik, sondern schon die Möglichkeit der Klage gegen einen Schiedsspruch ist eigentlich abwegig. Beim letzten Mal hatten sich die Schlichter selbst über die gerichtliche Überprüfung ihrer Entscheidung mokiert. Jetzt stellt die Schiedsstelle ihre Entscheidung sogar vorauseilend unter das Urteil der Sozialrichter - mathematisch nennt man das Zirkelbezug. Das Vorgehen mag man mit Datengrundlagen und Beurteilungskriterien begründen. Aber eigentlich braucht es dann kein Schiedsverfahren mehr.
Dass der neue Schiedsspruch unter Vorbehalt steht, kommt den Krankenkassen zu pass. Wegen dieses juristischen Sprungtuches haben sie wohl auch zugestimmt. Trotzdem blamieren sie sich mit ihrer Strategie: Was 2009 aus ihrer Sicht abwegig gewesen war, kann 2010 kaum angemessen sein. Und der DAV? Kann klagen. Unter Vorbehalt.