Stehen auf einem Rezept zwei Packungen desselben Arzneimittels, gibt es in der Apotheke häufig Kopfzerbrechen. Ein Apotheker aus Hessen wurde retaxiert, weil er in den Normbereich gestückelt hatte. Die Kasse, die entsprechende Rezepte in der Vergangenheit nie beanstandet hatte, holte gleich zum Rundumschlag aus.
Verordnet waren im konkreten Fall zwei 30er-Packungen Pradaxa (Dagibatran) in der Dosierung von 75 mg. Hier existieren keine Großpackungen, denn in dieser Wirkstärke ist der Gerinnungshemmer nur für die Nachbehandlung bestimmter chirurgischer Eingriffe zugelassen.
Der Arzt entschied sich dennoch gegen die Varianten mit 110 beziehungsweise 150 mg. Weil sein Patient in der Dauermedikation zweimal täglich eine Kapsel à 75 mg einnehmen soll, verschreibt er seit zwei Jahren regelmäßig zwei Packungen auf einem Rezept und kennzeichnet seine Absicht durch ein „!“.
Für diesen Off-Label-Einsatz trägt alleine der Arzt die Verantwortung; schließlich kennt der Apotheker die Diagnose in der Regel nicht. Pech für den Pharmazeuten im konkreten Fall: Die Abgabe von zwei kleinen Packungen verstößt – je nach Auslegung – gegen den Rahmenvertrag: Die 30er-Packung ist nicht normiert, doch insgesamt 60 Kapseln ergeben eine N2-Normgröße. Dass diese gar nicht im Handel ist, spielt keine Rolle.
Wegen Stückelung in den Normbereich verweigerte die DAK-Gesundheit die Bezahlung der zweiten Packung. Der Arzt müsse in diesem Fall ein zweites Rezept ausstellen, hieß es. Besonders ärgerlich für den Apotheker: Die Kasse hatte entsprechende Rezepte in der Vergangenheit nie beanstandet. Jetzt retaxierte sie aber rückwirkend mehrere Rezepte auf einmal, sodass er gleich auf den Kosten für eine Handvoll Packungen à 60 Euro sitzen blieb.
„Ob DAK-Versicherte nicht mehr in den Urlaub fahren dürfen“, habe er die Mitarbeiter bei der Kasse gefragt, nachdem seine schriftlichen Einsprüche abgelehnt worden seien, berichtet der Apotheker. Denn kein Arzt verordne zwei Packungen auf zwei Rezepten. Da die Prüfstelle hart blieb, ließ sich der Apotheker von der Volkswagen-Affäre inspirieren, in der sich viele Aktionäre beim Aufsichtsrat beschwert hatten: Er schaltete den Verwaltungsrat der Kasse ein und forderte sämtliche Mitglieder per Mail dazu auf, die aus seiner Sicht unsinnige Retaxation aufzuheben. Mit Erfolg: Rund zwei Wochen später erhielt er eine Antwort und die Forderung wurde zurückgezogen.
Abgesehen vom finanziellen Umfang, findet der Apotheker jede Kürzung ärgerlich, selbst wenn es nur drei Euro seien: Es rege ihn auf, dass die Arbeit in der Apotheke überhaupt nicht mehr wertgeschätzt werde.
Besonders unfair findet er Nullretaxationen wegen Verstoßes gegen einen Rabattvertrag: „Die Apotheken erhalten überhaupt keine Entlohnung für die Erklärung, wieso die Tabletten schon wieder anders aussehen als letztes Mal. Macht man alles richtig, erhält man nichts dafür, macht man es falsch, wird man sogar noch bestraft. Das ist eine Form moderner Sklaverei.“
Der Apotheker kann sich vorstellen, auch in Zukunft bei extremen Fällen den Verwaltungsrat einzuschalten. „Ich suche grundsätzlich das Gespräch mit der Kasse, da insbesondere externe Prüffirmen sich häufig nicht an deren Vorgaben halten.“ Immer wieder erhalte er ungerechtfertigte Kürzungsschreiben, gegen die er natürlich vorgehe. Stelle er hingegen eigene Versäumnisse fest, akzeptiere er den Bescheid, weil man zu Fehlern stehen müsse.
Insgesamt verhielten sich die Krankenkassen kooperativ. „Einzelne schwarze Schafe zerstören leider das Bild.“ DAK-Versicherte schicke er dagegen mit fehlerhaften oder unvollständigen Rezepten häufiger zum Arzt oder in die Klinik zurück. Das sei zwar schade – doch das Risiko, retaxiert zu werden, sei zu groß. Er selbst habe seine Mitgliedschaft bei der Kasse schon vor längerer Zeit gekündigt, da diese sich oft davor drücke, Leistungen zu übernehmen. Auf sein Angebot, Versicherte der DAK nur noch gegen Privatrezept oder überhaupt nicht mehr zu beliefern, ging die Kasse nicht ein.
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