Retaxationen

Defekte lassen DAK kalt Carolin Bauer, 06.01.2016 09:19 Uhr

Berlin - 

Lieferengpässe sind für Apotheken immer wieder ein Ärgernis. Ein Pharmazeut aus Köln wurde von der DAK Gesundheit retaxiert, weil er bei Nichtverfügbarkeit des verordneten Reimports des MS-Mittels Copaxone (Glatirameracetat) nicht das Original von Teva abgegeben hatte. Beim Großhandel seien aber beide Präparate nicht verfügbar gewesen, sagt Mario Spieker. Der Inhaber der Markt-Apotheke hat sich nach mehreren Einsprüchen jetzt mit einem Brief an den Vorstand gewandt.

In dem Fall geht es um Copaxone von Haemato. Der Arzt verordnete im Oktober 2013 drei Packungen à 28 Fertigspritzen des Reimports. Auf dem Rezept war das Aut-idem-Kreuz gesetzt. Das gewünschte Arzneimittel sei nicht lieferbar gewesen, sagt Spieker. Auch das rabattierte Original des israelischen Konzerns sei an dem Freitag nicht verfügbar gewesen. „Am Samstag musste schon gespritzt werden.“

Der Pharmazeut gab einen entsprechenden Reimport von Emra ab. Die Verordnung fiel laut Spieker in die Zeit, als Teva die Packungsgröße von 28 auf 30 Stück umgestellt hatte. Die Kasse zog dem Apotheker von dem Gesamtbetrag über rund 4500 Euro rund 3800 Euro ab. Als Grund hieß es, die verordneten Produkte seien nicht durch Rabattarzneimittel ersetzt worden.

Spieker legte Einspruch ein. Der Apotheker erklärte den Defekt und entschuldigte sich, dass die Sonderkennziffer 211 fehle. Knapp einen Monat später kam aus Bremen die Antwort: Der Einspruch werde nicht zugelassen, da alle Voraussetzungen für eine Substitution erfüllt gewesen seien.

Der Apotheker gab nicht auf und schickte eine Nichtlieferfähigkeitsbescheinigung des Großhändlers über den verordneten Reimport sowie das Teva-Produkt nach. Die Kasse antwortete, man sei bereit, eine erneute Prüfung vorzunehmen, wenn eine entsprechende Bescheinigung des Herstellers geschickt werde: „Mit diesem Schreiben fordern wird den Lieferdefekt des Herstellers und unseres Rabattpartners 'Teva'“, so die DAK. Die Meldung des Großhändlers reiche nicht aus.

Doch nachdem der Apotheker die geforderten Unterlagen nachgereicht hatte, wurde der Einspruch ebenfalls negativ beschieden. Das Nachfolgeprodukt mit der neuen Packungsgröße sei zwar erst ab November lieferbar gewesen, so die Kasse unter Verweis auf das Schreiben des Herstellers. Bis dahin sei der Bezug des Vorgängers möglich gewesen. „Danach habe ich angerufen und man hat mir lapidar gesagt, dass ich nach drei erfolglosen Versuchen ja klagen könnte“, sagt Spieker.

Der Apotheker fühlt sich hingehalten: „Ich wurde immer wieder vertröstet“, kritisiert er das Vorgehen der Retaxstelle in Bremen. Ärgerlich sei, dass die Kasse anfangs ein Entgegenkommen in Aussicht gestellt habe, die Defektmeldungen letztlich aber nicht geholfen hätten. Spieker hat deshalb vor Weihnachten an den Vorstand um den Vorsitzenden Professor Dr. Herbert Rebscher geschrieben. Immerhin gehe es um einen hohen Betrag.

Die Direktbestellung beim Hersteller sei zeitlich nicht möglich gewesen, heißt es in dem Brief. „Wir haben fachlich den Patienten mit dem richtigen Medikament versorgt, kein teureres Medikament abgegeben und Nachweise über die Nichtverfügbarkeit erbracht.“ Der Apotheker hofft, dass die Kasse ihm den gekürzten Betrag zurückerstatten wird.

Das Sozialgericht Koblenz hatte 2014 die bis dato gültige Praxis bei Verordnungen über Reimporte auf den Kopf gestellt: Wurden in der Vergangenheit Original und Reimport auch bei gesetztem Aut-idem-Kreuz gegeneinander ausgetauscht, sind die Angaben des Arztes aus Sicht der Richter bindend. Die Substitution verstoße in solchen Fällen gegen die Therapiehoheit des Mediziners. Der GKV-Spitzenverband schloss sich der Meinung überraschend an.

Die Apotheker waren angesichts zahlreicher Lieferengpässe gegen die Neuregelung. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) verständigte sich im vergangenen Jahr mit dem Ersatzkassenverband vdek darauf, dass Apotheker bei betroffenen Verordnungen das Aut-idem-Kreuz des Arztes nicht mehr beachten müssen. Die Regelung gilt nicht für andere Kassen. Zuvor hatte sich der Bayerische Apothekerverband (BAV) geweigert, das Urteil zu akzeptieren. Apotheker im Freistaat sollten Importarzneimittel und Original auch dann austauschen, wenn der Arzt ein Aut-idem-Kreuz gesetzt hat.