Meldungen aus Italien, in denen Krankenhäuser überbelegt sind und zu wenig Ausstattung haben, führen dazu, dass immer mehr Bürger besorgt sind. Experten schätzen die Lage in deutschen Krankenhäusern anders ein. Hier hatten die Kliniken mehr Zeit sich vorzubereiten, das gilt auch für die Arzneimittelversorgung. Der Bundesverband der Deutschen Krankenhausapotheker (ADKA) sieht die Versorgung als momentan gesichert – betont jedoch, dass Hamsterkäufe unter Kollegen nicht getätigt werden sollten, um Lieferengpässe zu vermeiden.
Zehntausende Infizierte, hunderte Tote: Die Corona-Krise hat in Italien zum Katastrophenfall geführt. In vielen deutschen Apotheken und Krankenhausapotheken ist man unsicher, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche nicht, sodass viele Apothekenteams eigene Pläne ergreifen. Neben einer regelmäßigen Händedesinfektion mit viruziden Mitteln haben einige öffentliche Apotheken bereits Plexiglas am HV-Tisch angebracht, sodass es während des Beratungsgespräches nicht zur Tröpfcheninfektion kommen kann. Dieses Infektionsrisiko bleibt in einer Krankenhausapotheke weitestgehend aus. Hier haben nur die Mitarbeiter direkten Patientenkontakt, die Stationsbegehungen durchführen. Dafür kommen im Krankenhaus andere Problematiken auf Apotheker und PTA zu.
Damit es nicht zu Hamsterkäufen kommt und Lieferengpässe hausgemacht sind, rät Geschäftsführer Rudolf Bernard zur sinnvollen Bevorratung. Hierzu zählt er beispielsweise Antiinfektiva. „Insbesondere Antibiotika sollten in den Fokus der Bevorratung rücken“, sagt er und verweist darauf, dass gerade diese Arzneistoffe bei schweren Verläufen von Covid-19, aber auch von anderen Infektionskrankheiten gebraucht würden.
„Für Arzneimittel mit bestehendem Lieferengpass bietet die Rezeptur innerhalb der Krankenhausapotheke eine gute Lösung.“ Bernard erzählt, dass viele Apotheken heute schon auf die rezepturmäßige Herstellung von Fertigarzneimitteln ausweichen, um eine adäquate Patientenversorgung zu gewährleisten. So stelle zum Beispiel das Klinikum Heidelberg bereits seit längerem Cotrimoxazol-haltige Zubereitungen als Rezeptur her. Das Antibiotikum ist seit längerem nicht verfügbar. „Die Rezeptur in einer Krankenhausapotheke bietet dafür genügend Raum für Großansätze und Lagerung.“
Seit Apotheken Desinfektionsmittel selbst herstellen dürfen, passiere dies selbstverständlich auch in der Krankenhausapotheke: „Hier gibt es Krankenhäuser, deren Bedarf ist so groß, dass Apotheker und PTA Großansätze von bis zu 1000 Litern herstellen.“ Mit der Abfüllung und Deklaration ist dann mehr als eine PTA für mehrere Stunden beschäftigt. In diesem Umfang ist es den öffentlichen Apotheken meist nicht möglich zu produzieren. Hier gelten Ansätze von meist 5 Litern als Großansatz. Was die Apotheken herstellen dürfen, ist explizit geregelt: Die Allgemeinverfügung gilt für eine einzige Formulierung. Zehn Liter Lösung setzen sich wie folgt zusammen: 7515 ml 99,8-prozentiger Isopropylalkohol, 417 ml 3-prozentiges Wasserstoffperoxid, 145 ml 98-prozentiges Glycerol und aufgefüllt mit sterilem Wasser ad 10000 ml.
Aus den öffentlichen Apotheken kommen erste Rückmeldungen, dass einzelne Substanzen nicht mehr lieferfähig sind. 98-prozentiges Glycerol gehört beispielsweise nicht zu den gängigen Rezeptursubstanzen. Die meisten Dermatika enthalten 85-prozentiges Glycerol. Die geplante zentrale Beschaffung von Alkoholen wie Isopropanol und Ethanol hilft bei der Herstellung nicht weiter. Wie die Bestandslage in den Krankenhausapotheken ist, konnte vom Verband nicht beantwortet werden.
„Die Panik der Menschen ist womöglich schlimmer als das Virus selbst.“ Damit verweist Bernard auf die angespannte Lage in den Kliniken, in denen immer häufiger Desinfektionsmittel und auch Atemschutzmasken entwendet werden. Ohne diese Dinge kann das medizinische Personal nicht adäquat arbeiten. Angeblich haben einige Krankenhäuser ihre Spender abmontiert, damit die enthaltenen Flaschen nicht entwendet werden. „Zum Teil wurden die Desinfektionsmittelspender komplett aus der Wand gerissen. Auch von einem Lagereinbruch wurde mir berichtet,“ so Bernard.
Stellen öffentliche Apotheken meist die erste Anlaufstelle bei Fragen rund um die Infektion dar, so stellen sich für die Klinikapotheken andere Aufgaben und Herausforderungen während einer Pandemie. Neben einer Lagerhaltung adäquater Mengen wichtiger Arzneimittel und Hilfsmittel (hierzu zählen Atemschutzmasken, einfacher Mundschutz und Handschuhe) ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen bei der Versorgung und Unterstützung der Patienten ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. Darüber hinaus können die Pharmazeuten die Infektionskontrolle im stationären Umfeld überwachen und auch beratende Tätigkeiten übernehmen. Die AdKA verweist darauf, dass nicht nur eine sinnvolle Lagerhaltung nützlich ist, sondern auch die Sicherstellung des verantwortungsvollen Einsatzes der gelieferten Arzneimittel.
Bernard schließt sich den Empfehlungen der Bundesregierung und des Robert Koch-Institutes (RKI) an und betont, dass durch ein aufmerksames hygienisches Verhalten viele Infektionen vermeidbar sind. Weniger Infektionen bedeuten auch weniger Belastung für die Krankenhäuser, sodass generell weniger Arzneimittel, Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken gebraucht werden würden.
Die Bundesregierung fordert aktuell alle Menschen dazu auf, ihr persönliches Verhalten zur Eindämmung der Krise anzupassen. Auch wenn 80 Prozent der Infizierten milde bis keine Symptome aufwiesen und besonders für die Jüngeren das Risiko einer schweren Erkrankung nicht hoch sei, dürften diese nicht denken: „Was habe ich denn damit zu tun?“ Die Menschen müssten verstehen, dass alle auf ein Stück Alltag verzichten müssten, „um sich selbst zu schützen und andere zu schützen“. Dies müsse besonnen geschehen. Immer wieder müssten sich die Menschen fragen, ob sie etwa auf ein Konzert oder auf Familienbesuche verzichten könnten.
Da es keine einheitlichen Regelungen zum Verhalten während des Pandemiefalls gibt, handeln die jeweiligen Krankenhäuser unterschiedlich. Eine Maßnahme sehen die Kliniken in der Begrenzung der Besuchszeit, so haben zahlreiche Krankenhäuser die Zeiträume auf den Nachmittag gelegt und stark eingeschränkt. Die Besuchszeiten des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg sind beispielsweise auf 16 bis 18 Uhr begrenzt, der Umfang ist auf einen Besucher pro Patient und pro Tag beschränkt. Diese Regelung gilt an jedem Tag der Woche. Ausnahmen hiervon sind nur nach Rücksprache mit dem medizinischen Personal vor Ort möglich.
Angehörigen wird in einigen Ländern wie Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein weitgehend der Besuch von Alten- und Pflegeheimen und in Kliniken untersagt. In bestimmten Situationen blieben Besuche aus „humanitären Gründen“ weiter notwendig, etwa wenn Kinder in einer Klinik behandelt würden oder jemand im Sterben liege.
Patienten, die einen ambulanten Termin haben, werden an manchen Kliniken aufgefordert, diese Untersuchungen ohne Begleitperson wahrzunehmen, so auch am Uniklinikum Heidelberg. Sofern Patienten in der Mobilität eingeschränkt sind, oder eine Begleitung wünschen, so sollte diese außerhalb des Klinikgebäudes warten. Für Patienten, die dauerhaft betreut werden müssen, gilt diese Regelung nicht.
Die meisten Krankenhäuser haben in den vergangenen tagen mitgeteilt, dass Veranstaltungen innerhalb der Kliniken vorerst ausfallen werden. Neben Informationsveranstaltungen für das Fachpersonal fallen auch Selbsthilfegruppen für Angehörige oder Infoabende zu bestimmten Themenschwerpunkten aus. Fast alle Kliniken haben mittlerweile eine Informationsseite auf ihrer Internetseite eingerichtet. Hier wird erneut darauf hingewiesen, dass wenn ein Verdacht auf Covid-19 besteht, keine Notaufnahme aufgesucht werden soll. Menschen, die Symptome aufweisen, sollen die hinterlegten Telefonnummern wählen und sich über das weitere Vorgehen telefonisch beraten lassen.
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