Sachsen hat die geringste Impfquote der gesamten Republik – mithin also den größten Bedarf, schnell viele Corona-Impfungen unters Volk zu bringen. Doch ausgerechnet im Freistaat wird es Apotheken schwerer gemacht als anderswo, sich einzubringen. Das gilt von der Sonderregelung zu den Impf-Räumlichkeiten bis zum Schulungsangebot. „Ich verstehe nicht, dass es so lange dauert“, sagt ein Apotheker, der sich gern schneller einbringen würde.
Nirgendwo sonst ist der Bedarf zur Beschleunigung der Impfkampagne so hoch wie in Sachsen – ausgerechnet dort aber stellen sich Aufsichtsbehörde und Apothekerkammer quer. Denn die Landesdirektion Sachsen (LDS) sieht die mit der Veröffentlichung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ermöglichten Covid-19-Schutzimpfungen laut Sächsischer Landesapothekerkammer (SLAK) als eine apothekenübliche Dienstleistung an. „Apothekenübliche Dienstleistungen sind in Apothekenbetriebsräumen auszuüben“, schreibt die Kammer. „Wenn die Durchführung von Sars-CoV-2-Schutzimpfungen in der Apotheke erfolgen soll, sollte mindestens ein abgetrennter und von der Betriebserlaubnis erfasster Raum genutzt werden, der – sofern nicht direkt durch die Offizin – ohne Betreten anderer Betriebsräume erreichbar ist. Die Durchführung der Dienstleistung in den Räumlichkeiten der Apotheke ist nicht anzeigepflichtig.“
Wer externe Betriebsräume für die Impfungen nutzen will, müsse hingegen die Gestattung einer Ausnahme von der Apothekenbetriebsordnung entsprechend der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung beantragen. „Anträge auf die Nutzung externer Betriebsräume für die Durchführung der Schutzimpfungen sind zwingend erforderlich und bei der LDS zu stellen“, so die Sächsische Landesapothekerkammer (SLAK).
Für viele Apotheken dürfte das das Ende der Gedankenspiele sein, sich in die Impfkampagne einzubringen, sagt Andreas Fizia, Filialleiter der Lilien-Apotheke in Pirna. „Für mich ist die Auffassung der Landesdirektion übergriffig“, sagt er. Denn die betreffende Einzelnorm regele Impfungen für Apotheker als Person und treffe keinerlei Aussage zum Thema Apotheke. Apothekenbetriebsordnung und deren Räumlichkeiten blieben gänzlich ausgespart. Stattdessen werde dem Apotheker – wie auch dem Zahn- und dem Tierarzt – eine Freigabe zur Corona-Impfung als heilberufliche Leistung befristet zugestanden. Die Beschaffenheit der Räume müsse nur geeignet sein, eine Erreichbarkeit über die Offizin oder die Regelung zur Apothekenüblichkeit werden nicht erwähnt und ergeben sich auch im Zusammenhang nicht zwingend.
„Da die meisten Apotheken Probleme haben, in den eigenen Räumlichkeiten geeigneten Platz für Corona-Impfungen zu machen, halte ich es für sehr kontraproduktiv, da solche Einschränkungen zu machen“, sagt Fizia. „Das limitiert Sinn und Absicht des Gesetzgebers.“ So ergehe es auch seinem Arbeitgeber: Apothekeninhaberin Mandy Miersch habe ebenfalls erwogen, ein Impfangebot zu ermöglichen. Das stehe aber nicht nur wegen der Regelung zu den Räumlichkeiten zur Disposition. „Im Moment stellt sich die Frage gar nicht, so lange wir nichts haben, was man als Grundlage nachweisen kann“, sagt Fizia mit Blick auf mangelnde Schulungsmöglichkeiten in Sachsen. „Im Moment gibt es keine offiziellen Angebote, sondern nur private. Bei denen stellt sich dann aber die Frage der Anerkennung.“
Warum es ausgerechnet in Sachsen so langsam vorangeht, könne er auch nicht mit Sicherheit erklären. „Ich denke, dass Kammern und Verband nicht besonders scharf darauf sind, zu impfen. Das ist aber nur ein subjektiver Eindruck“, sagt er. Auch bei der Bewerbung von Grippeimpfprojekten sei zuvor nie etwas geschehen. Es könne sein, dass Kammer und Verband keinen Konflikt mit der Ärzteschaft heraufbeschwören wollen oder aber dass es ungeklärte rechtliche Fragen, beispielsweise zur Haftung, gebe, die das Projekt in Sachsen ausbremsen. „Wobei ich mir aber sage, dass das keine großen Probleme darstellen sollte“, so Fizia. „Meines Erachtens sollten wir jetzt etwas tun und diese Chance ergreifen. Aber es gibt gewisse Stellen, die das scheinbar nicht wollen.“
Mit der Einbeziehung von Apotheker:innen will die Bundesregierung die Corona-Impfkampagne noch weiter beschleunigen – denn es reicht noch nicht in Deutschland und die Omikron-Welle steht schon vor der Tür. Das gilt insbesondere für Sachsen: Der Freistatt ist einsames Schlusslicht. Aktuellen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zufolge sind dort nur 60,4 Prozent der Menschen doppelt geimpft, 30 Prozent von ihnen auch geboostert. Der Abstand zu Brandenburg auf dem vorletzten Platz liegt bei über 4 Prozent – der zweitgrößte Abstand zwischen zwei Bundesländern. Wie groß die Unterschiede im Bundesvergleich sind, zeigt der Blick an das andere Ende der Tabelle: In Bremen sind 83,1 Prozent der Einwohner doppelt geimpft, im Saarland wiederum 45,9 Prozent der Geimpften geboostert: Bei der Quote der vollständig geimpften liegt in Bremen also ein gutes Drittel über Sachsen, das Saarland bei den Auffrischungsimpfungen gar um die Hälfte.
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