Ab sofort wird auch bei niedergelassenen Ärzt:innen gegen Corona geimpft. Den Impfstoff erhalten die Praxen über die Apotheken, 940.000 Dosen sind es in der ersten Woche. Der Großhandel bereitet zur Stunde die Auslieferung vor, alle Kräfte sind eingebunden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) glaubt fest daran, dass die Branche die Aufgabe bewältigen kann: Man habe immerhin einen Ruf zu verlieren.
Am Samstag ist der Impfstoff etwa beim Privatgroßhändler Richard Kehr in Braunschweig angekommen. Zunächst wurden die Kartons in den Ultratiefkühlschrank überführt – theoretisch hätten sie auch im Thermokoffer des Herstellers bleiben können, wo sie auf Trockeneis bis zu 30 Tage gelagert werden können. Doch wie andere Großhändler hatte auch Kehr im Vorfeld eigens einen solchen Spezialkühlschrank angeschafft, wo eine Temperatur von -75 °C gewährleistet ist.
Heute ist Großkampftag: Am Morgen wurde im Kühlhaus mit dem Auftauprozess begonnen. Bei 2 bis 8 °C sollen die Vials an die Apotheken geliefert und von dort aus in die Arztpraxen transportiert werden. Bei der Kommissionierung wird noch das Zubehör hinzugefügt, der Aufwand für Apotheken- und Praxispersonal soll möglichst gering sein. Die ersten Touren soll am späten Vormittag vom Hof starten.
Bei der Noweda wurde das Wochenende durchgearbeitet. Seit drei Uhr in der Früh wird kommissioniert, die ersten Lieferungen sind gestartet. Auch wenn sich die Prozesse natürlich noch einspielen müssten, sei der Start im Ganzen geglückt, berichtet ein Sprecher der Genossenschaft. So habe man beispielsweise den Verteilschlüssel über das Wochenende noch leicht angepasst, damit auch Apotheken gut abschneiden, die überdurchschnittlich viele Praxen versorgen. Und manchmal muss der Großhändler in Apotheken noch nachfragen, ob die bestellte Menge tatsächlich Vials betrifft oder ob die Apotheke versehentlich Impfdosen bestellt hat.
Und auch intern gibt es Herausforderungen zu stemmen, was die Verteilung der von Biontech gelieferten Vials betrifft. Der Hersteller liefert in Einheiten zu 975 Vials an die Großhändler. So hat die Noweda-Niederlassung in Taucha zu viel Impfstoff bekommen, Berlin dagegen zu wenig. Hier muss zwischen den Standorten gegebenenfalls noch umverteilt werden.
Vor Ort gibt es ganz banale logistische Probleme: Der Kühlraum in einer Niederlassung bietet Platz maximal sechs Personen, mehr können bei der Kommissionierung nicht gleichzeitig arbeiten. Das sind Unwägbarkeiten, die die Politik nicht auf dem Schirm hat. In der Praxis wird das durch Einsatz ausgeglichen: Notfalls soll an diesen Standorten eben um Mitternacht mit dem Kommissionieren angefangen werden und nicht um drei Uhr morgens.
Auch beim Privatgroßhändler Max Jenne ist der Impfstoff am Samstag eingetroffen und wird dort seitdem ultratiefgekühlt gelagert. Kommissioniert wird seit heute morgen um 5 Uhr. Der Job sei sportlich, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Lothar Jenne. „Die Abläufe sind anders als sonst, aber wir fühlen uns gut vorbereitet. Wir brauchen an keiner Stelle Sorge haben.“ Kommissioniert werde nicht nur der Impfstoff, sondern auch das Impfzubehör sowie Informationsmaterialien für Apotheken und Praxen.
Der Privatgroßhändler mit Sitz in Kiel beliefert die Flächenländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. „Wir müssen weite Strecken fahren und dabei die Transportzeit von maximal zwölf Stunden im Auge behalten“, sagt Jenne. In der Regel betrage diese zwischen zwei und drei Stunden. Eine besondere Herausforderung sei die Belieferung der Insel-Apotheken. Nach Helgoland gelangt der Impfstoff regulär per Flugzeug. Sylt werde wie immer mit einem Auto und per Bahn versorgt. „Bei Amrum und Föhr war der Transport schon tricky“, so Jenne. Ein Mitarbeiter kümmere sich ausschließlich um die Logistik. Er steuert die Inseln mit dem Auto per Fähre an und fährt bis zur Apotheke. Die Inseln würden maximal innerhalb von sechs Stunden versorgt. Damit bleibe genug Zeit, um die Praxen zu beliefern.
Eine Herausforderung für den Großhandel sei die faire Verteilung. Es gebe einen Schlüssel für den Marktanteil sowie einen für den Bevölkerungsanteil pro Bundesland. „Wir müssen Sorge dafür tragen, dass kein Bundesland und keine Arztpraxis bevorzugt wird“, sagt Jenne. Dabei hilft den Großhändlern kein Computerprogramm. „Das machen wir mit menschlicher Vernunft. Wir spielen bei der Corona-Impfstoffverteilung in einer anderen Liga. Hier geht es nicht um Profilierung und Wettbewerb, sondern um die gerechte und faire Verteilung.“
Ähnlich läuft es derzeit überall im Land. Kunden von Phoenix in Berlin warten derzeit noch auf Informationen, wann die Lieferungen kommen. Das hängt wohl unter anderem davon ab, ob die Transportboxen ausreichen.
APOTHEKE ADHOC Debatte