Cannabis-Identifizierung: „Apotheken klagen gegen Behörden“ Deniz Cicek-Görkem, 15.06.2018 12:15 Uhr
Der Markt für Cannabis wächst und neue Importeure wollen sich in der Versorgung der Patienten mit Cannabisblüten etablieren. Zu den Neulingen gehört das Unternehmen Cansativa, das seit Anfang Mai Apotheken, aber auch die Großhändler mit Medizinalhanf beliefert.
Cansativa ist ein in Frankfurt am Main ansässiger GDP-zertifizierter Cannabis-Importeur, der als Frischling auf dem Cannabis-Markt aktuell niederländische Cannabisblüten der Sorten Bedrocan, Bediol und Bedrobinol liefert, sowohl im Direktvertrieb, als auch über den vollversorgenden Apotheken-Großhändler. Die Produkte unterscheiden sich im Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) und können bei verschiedenen Indikationsgebieten eingesetzt werden. „Perspektivisch möchten wir eigene Produkte auf den Markt bringen“, sagt Jakob Sons, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Firma.
Als Rechtsanwalt ist er für regulatorische und allgemeine rechtliche Fragen verantwortlich. Doch wie ist er zum Thema Cannabis gekommen? „Letztes Jahr habe ich im März ein Rechtsgutachten geschrieben. Es ging darum, ob man eine Firma mit dem Begriff Cannabis im Namen ins Handelsregister eintragen darf“, erzählt Jakob Sons. Im Zuge dessen habe er sich intensiv mit der Gesetzeslage beschäftigt: „Da wurde die Idee für das Unternehmen geboren.“ Das inhabergeführte Familienunternehmen besteht seit März 2017 hat drei Mitbegründer, die ihre Expertise bei unterschiedlichen Aufgabengebieten einsetzen. Benedikt Sons kümmert sich um die betriebswirtschaftlichen Belange der Firma und Dr. Hermann Sons hat die Funktion der Verantwortlichen Person. Als Humanmediziner und Chefarzt a.D. sorgt er sich um die Qualität der Produkte und die Einhaltung der industriellen Standards im Arznei- und Betäubungsmittelverkehr.
„Wir überlegen uns oft: Was kann man für Apotheker praktischer machen?“, sagt Sons. „Wir möchten mit Ärzten, Apothekern und den Behörden ins Gespräch kommen und sprechen uns für die Fortentwicklung der Apothekenabläufe aus, so zum Beispiel für den Einsatz von NIR-Geräten zur Identifikation von Cannabisprodukten.“ In Kanada würde diese Identifizierungsmethode bereits erprobt, ein Vorteil sei vor allem die Schnelligkeit und Praktikabilität. Hierzulande kann der Apotheker von der instrumentellen Analytik noch nicht Gebrauch machen, da die Vorschriften andere Methoden vorsehen.
Ein weiterer Kritikpunkt sei, dass die Landesbehörden nicht einheitlich beurteilten, wie sich die Apotheken zu verhalten haben. Manche Behörden tolerierten eine bloß makro- und mikroskopische Identifizierung und andere forderten hingegen für jede Charge und teilweise für jede Packung derselben Charge eine Dünnschichtchromatographie (DC). „Die Monographie im DAB sieht alle drei Möglichkeiten vor (makroskopisch, mikroskopisch, DC). Mir sind einige Apotheken bekannt, die sich bereits im Klageverfahren gegen Beanstandungen der Aufsichtsbehörden wehren“, so Rechtsanwalt Sons.
Bevor die Blüten die Hände des Patienten erreichen, müssen sie verschiedene Analysen durchlaufen. „Hierbei ist zwischen zwei Umständen zu unterscheiden. Einerseits hinsichtlich der Vorgaben für den Importeur im Rahmen der Chargenfreigabe und andererseits hinsichtlich der Identifizierungspflicht des Apothekers“, so Sons. Für den Importeur setze die Chargenfreigabe im Verkehr zwischen MRA-Staaten (Mutual Recognition Agreement) kein „retesting“ voraus, wenn der Importeur von dem Hersteller in einem MRA-Staat ein entsprechendes GMP-Zertifikat erteilt bekomme.
Zum anderen müsse der Apotheker vor der Abgabe von medizinischem Cannabis § 6 der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) beachten. Denn Cannabis ist ein Rezepturarzneimittel und wenn ein GMP-Prüfzertifikat vorliegt, fällt für den Apotheker lediglich die Identitätsfeststellung an. „Das Zertifikat wird bei inländischen/EU-Produkten durch den deutschen oder EU-Hersteller erstellt“, stellt Sons klar. Für den Apotheker sei nach dem Wortlaut der ApoBetrO und nach der gängigen Verwaltungspraxis das MRA-Zertifikat nicht ausreichend.
Er dürfe allenfalls ein EU-Zertifikat verwenden: „Das ist widersinnig und kritikwürdig, wenn der MRA-Hersteller nach den deutschen/europäischen Prüfkriterien prüft, da es zu einem Auseinanderfallen des Prüfkanons zwischen Chargenfreigabe des Importeurs im MRA-Verkehr (MRA-Zertifikat ausreichend) und des Apothekers führt (MRA-Zertifikat nicht ausreichend)“ moniert Sons. „Soweit es die Anerkennungsabkommen (MRA) erlauben, müssen die Prüfstandards für die Chargenfreigabe und die Pflichten der Apotheken vereinheitlicht werden.“ Denn für das Prüfzertifikat des Apothekers müsse die Firma sonst eine erneute Prüfung vornehmen – und das kostet Zeit und Geld.
Nichtsdestotrotz liege das Augenmerk von Cansativa in der Kundenbetreuung: „Unser gesamter Fokus liegt derzeit auf der schnellen Bestellverarbeitung.“ Im Stadtgebiet Frankfurt würden die Direktzustellungen taggleich erfolgen, deutschlandweit erfolge die Lieferung am nächsten Tag bei Bestellungseingang bis etwa 16.30 Uhr. Sons verspricht auch: „Da unsere Produkte nicht der Preisbindung unterliegen, gibt es Rabattstaffeln oder andere Vergütungsoptionen.“
Künftig sollen Apotheken die Möglichkeit haben, auf der Homepage weitere Informationen zu Produktverfügbarkeiten, PZN, Anmeldung für MSV3, Prüfzertifikate und Chargendokumente zu erhalten. Auch soll eine WhatsApp-Broadcastliste Apotheker über die Produktverfügbarkeit informieren. „Wegen der Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) stehen DocCheck-Zugang, N-Ident und der WhatsApp-Service derzeit nicht zur Verfügung“, sagt Sons. Bislang käme diesbezüglich auch keine einzige Anfrage. „Es bleibt unserer Erfahrung nach dabei, dass die Apotheken gerne zum Telefon greifen und Fachinformationen per Telefax übermittelt haben wollen.“