Hunderte Apotheken umsonst verklagt

Bundesfinanzhof: Kein Steuervorteil mit DocMorris

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Berlin -

Viel wurde in den vergangenen Jahren darüber diskutiert, ob Versender mit Sitz in den Niederlanden einen Steuervorteil gegenüber deutschen Vor-Ort-Apotheken haben oder nicht. Zumindest die Krankenkassen hätten bei der Mehrwertsteuer sparen können, doch der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem jetzt einen Riegel vorgeschoben. Davon profitieren auch alle Apotheken, mit denen die Kassen sich vorsorglich schon einmal angelegt hatten.

Im Streit ging es um die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, die die Krankenkassen als Empfänger der Leistung in voller Höhe zahlen müssen – und zwar inklusive jenes Teilbetrags, den sie bei der Abrechnung direkt als Herstellerrabatt abziehen und den die Apotheken von den Pharmafirmen erstattet bekommen. Umsatzsteuerrechtlich wird diese Differenz als Entgelt von dritter Seite gesehen, das bei der Berechnung der Mehrwertsteuer heranzuziehen ist.

Eine Betriebskrankenkasse war jedoch der Meinung, dass der Zwangsrabatt beim Bezug über eine niederländische Versandapotheke als Rabatt anzusehen ist und somit mindernd auf die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer wirkt. Das zuständige Finanzamt sah das anders, denn diese Zahlungen seien dem jeweiligen Leistungsaustausch zuzuordnen. Ohne dieses zusätzliche Entgelt könnten die Kassen die Medikamente schlichtweg nicht erwerben.

Die Kasse argumentiere genau anders herum: Da der Herstellerrabatt gesetzlich vorgeschrieben sei, könne er nicht als Nachlass gesehen werden. Vielmehr kompensierten die Hersteller lediglich den gesetzlich angeordneten Preisnachlass der Apotheke; es handele sich also um Beträge, die von den Apotheken treuhänderisch weiterzuleiten und deshalb durchlaufenden Posten vergleichbar seien. Für die Krankenkasse erhöhe dies den Wert der erhaltenen Leistung jedenfalls nicht.

Hintergrund für die unterschiedlichen Auslegungen waren einerseits die für die Streitfrage wenig konkrete Vorgabe in §130a Sozialgesetzbuch (SGB V) und andererseits die Tatsache, dass beim innergemeinschaftlichen Erwerb die Mehrwertsteuer ausnahmsweise komplett von der Kasse abgeführt wird. Eine Minderung der Berechnungsgrundlage hätte die Kassen also Millionen an Einsparungen bringen können.

Die AOKen Sachsen-Anhalt und Hessen spekulierten sogar darauf, dass der BFH den Zwangsabschlag auch ohne grenzüberschreitenden Verkehr als Rabatt einstufen könnte. Um eventuell zu viel gezahlte Beträge zurückfordern zu können, hatten sie zahlreiche Apotheken aufgefordert, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten – und sie teilweise sogar verklagt. Doch der Übereifer war umsonst: Nachdem das Finanzgericht Münster (FG) 2018 noch der Sichtweise der Kasse gefolgt war, kassierte der BFH diese Entscheidung mit Urteil vom 10. Dezember, die jetzt veröffentlich wurde.

Die Rechtslage ist aus Sicht der Richter eindeutig: Nach § 10 Umsatzsteuergesetz (UStG) wird der Umsatz auch beim innergemeinschaftlichen Erwerb nach Entgelt bemessen – und dazu gehört alles, was für den Erhalt der Leistung aufgewendet wird, auch „ein anderer als der Leistungsempfänger“ wenigstens Teile davon zahlt. Und gemäß Artikel 83 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) setzt sich die Steuerbemessungsgrundlage beim innergemeinschaftlichen Erwerb aus denselben Elementen zusammen wie bei der Lieferung innerhalb eines Mitgliedstaats.

Ausgenommen sind lediglich Rabatte und Rückvergütungen, die zu dem Zeitpunkt gewährt werden, zu dem der Umsatz bewirkt wird. „Danach ist entgegen der Auffassung des FG der für die Entgelteigenschaft des Herstellerrabatts erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit der Lieferung der Arzneimittel zu bejahen. Dann liegt aber auch in Höhe der Erstattung ein Entgelt von dritter Seite vor.“

Dabei werde der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Lieferung der Arzneimittel und dem Herstellerrabatt durch § 130a SGB V hergestellt. „Denn der Anspruch der Versandapotheken entsteht [...] nur aufgrund und in Höhe des Herstellerrabatts, den die Apotheke einer Krankenkasse [...] bei Abgabe von Arzneimitteln zu gewähren hat [...]. Die Zahlung des Herstellerrabatts hängt damit direkt von der Lieferung der Arzneimittel an die Klägerin ab.“

Dass Hersteller und Kasse in keinem vertraglichen Verhältnis stehen, ist laut BFH angesichts der weiterführenden Kette unschädlich, zumal der Neutralitätsgrundsatz nur in diesem steuerlichen Szenario gewahrt bleibe. Und auch für die Versandapotheke sei es unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität unerheblich, ob ihr der Abschlag aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung oder aufgrund eines gesetzlich begründeten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses nach § 130a durch den Hersteller erstattet werde.

 

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