Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zu Null-Retaxationen wollen die beteiligten Ersatzkassen durchgreifen: Ihr Verband vdek hat nun angekündigt, dass die Kassen ab Dezember alle offenen Beträge einfordern werden – auf einen Schlag. Den Apothekern droht die befürchtete Retaxationswelle.
Das BSG hatte im Juli Null-Retaxationen für grundsätzlich zulässig erklärt, wenn Apotheker sich ohne Begründung nicht an die Rabattverträge halten. Ende November hatten die Kasseler Richter die Begründung vorgelegt. Damit ist der Musterprozess zwischen dem vdek und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) beendet. Da die Retaxationen während des laufenden Verfahrens zur Hälfte ausgesetzt wurden, können die Kassen jetzt den Rest nachfordern.
„Das Urteil wurde am 22. November den beteiligten Parteien zugestellt. Damit wäre eine Rückabwicklung beginnend im Dezember 2013 möglich“, sagte eine Sprecherin des vdek. Wann konkret mit den Retaxationen begonnen wird, sei aber Sache Mitgliedskassen. Üblicherweise werde die Summe auf die laufenden Monatsabrechnungen der Apotheken aufgerechnet.
Die Apotheken müssten laut dem vdek vorbereitet sein: „Für die betroffenen Apotheken sollte es keine Rückabwicklungsprobleme geben, da jeder Apotheke die konkrete Schadenssumme je Einzelfall schon lange bekannt ist und immer wieder darauf hingewiesen wurde, entsprechende Rückstellungen vorzusehen“, so die Sprecherin.
Aus Sicht des vdek müssen die Kassen außerdem für eine ausgleichende Gerechtigkeit sorgen: „Apotheken, die sich nicht am Musterstreitverfahren beteiligt hatten, wurden bereits zu Beginn auf Null retaxiert. Nun sind die Apotheken dran, die am Musterstreitverfahren teilnahmen“, so die Sprecherin.Der Hessische Apothekerverband (HAV) macht seine Mitglieder auf das Schlimmste gefasst: Der vdek habe angekündigt, dass die beteiligten Ersatzkassen die verbliebenen Restbeträge in der Regel in einer Summe absetzen würden.
Um welche Summe es insgesamt geht, ist nicht bekannt. Die Kassen haben hierzu auf Nachfrage keine Angaben gemacht. Außer der Barmer GEK hatten sich alle Ersatzkassen an dem Musterprozess beteiligt, also die TK, DAK Gesundheit, KKH, HKK und HEK.
Aufgesteckt hat der DAV noch nicht. Derzeit lässt der Verband von dem Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde prüfen. Dettling hat sich schon eingehend mit dem Thema befasst und Nullretaxationen in einem Gutachten für verfassungswidrig erklärt.
Bis zu einer endgültigen Klärung kann es also noch dauern. Der HAV rät seinen Mitgliedern auf jeden Fall zu besonderer Vorsicht. Die Apotheker sollten in jedem Fall die Sonder-PZN auf das Rezept drucken, wenn sie einen Rabattvertrag nicht bedienen könnten, heißt es in dem Rundschreiben.
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