Ausbildungsfonds gerichtlich bestätigt

Bremen: Wer nicht ausbildet, zahlt

, , Uhr
Berlin -

Dem umstrittenen Ausbildungsfonds in Bremen steht nach einem Urteil des Staatsgerichtshofs nichts mehr im Wege. Das Gesetz sei mit der Landesverfassung vereinbar, verkündete Professor Peter Sperlich, Präsident des Staatsgerichtshofs, am Ende einer langen Verhandlung. „Es ist politisch nicht leicht gewesen und juristisch auch nicht.“ Mehrere Kammern hatten gegen die Abgabe geklagt – darunter auch die Apothekekammer Bremen. Sie sieht die Apotheken im Kammerbezirk nun vor weiteren finanziellen Herausforderungen.

Das Gericht sollte prüfen, ob das Gesetz mit der Landesverfassung vereinbar ist. Es sei ein komplexer Fall, hieß es schon zu Verhandlungsbeginn. „Das Urteil hat insgesamt 75 Seiten. Es ist eines der Längsten, die der Staatsgerichtshof je gefällt hat“, sagte Sperlich.

Gesetz verpflichtet Unternehmen zu einer Sonderabgabe

Die Bremische Bürgerschaft hatte das Gesetz im März 2023 beschlossen, um dem angespannten Ausbildungsmarkt entgegenzuwirken. Alle größeren Unternehmen im Land Bremen müssen eine Abgabe zahlen. Künftig sollen pro Jahr rund 39 Millionen Euro zusammenkommen.

Aus dem Fonds sollen Ausbildungsbetriebe einen Ausgleich für die Ausbildungskosten erhalten – bis zu 2500 Euro pro Auszubildender oder Auszubildendem und Jahr. Außerdem werden mit dem Geld unter anderem Weiterbildungen für Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Sprachkurse finanziert.

Anfang nächsten Jahres müssen sich die Betriebe laut Arbeitsressort über ein digitales Meldeportal eintragen. Dann ist erstmals Geld fällig. Die Vergabe der Förderung sei ab Sommer 2025 geplant.

Zusätzlichen Kosten für Apotheken

Bei der Apothekerkammer Bremen kommt keine Freude zum Gerichtsbeschluss auf. „Wir bedauern die Entscheidung, die der Staatsgerichtshof getroffen hat und nehmen zur Kenntnis, dass das Ergebnis mit 4:3 Stimmen im Gremium sehr knapp ausgefallen ist“, so Kammer-Geschäftsführerin Dr. Isabel Justus. „Dennoch gilt es nun damit umzugehen, dass die Apotheken in Bremen und Bremerhaven ab 2025 mit zusätzlichen Kosten und Aufwänden für den Ausbildungsfonds konfrontiert sein werden.“

Konkret befürchtet die Kammer unverhältnismäßigen Aufwand durch bürokratische Prozesse, wie der Datenerhebung für den Fonds. Es würden „höhere Kosten in einer sowieso schon angespannten wirtschaftlichen Lage“ zu erwarten sein, eine durch den Fonds angestrebte Verbesserung bei der Gewinnung von Nachwuchskräften sieht die Kammer hingegen nicht. „Schließlich kritisieren wir die überflüssige Schaffung von Doppelstrukturen, da die Kammern die vom Ausbildungsunterstützungsfonds vorgesehenen Leistungen bereits erbringen“, so Justus.

So berechnet sich der Anteil

Zugrunde gelegt wird für den Fonds die Arbeitnehmerbruttolohnsumme x 0,27 Prozent, was den jährlichen Anteil am Ausbildungsfonds abbilden soll. „Die Arbeitnehmerbruttolohnsumme ist die Summe aller Arbeitslöhne, die ein:e Arbeitgeber:in für die bei ihr oder ihm beschäftigten im Land Bremen tätigen Personen zahlt. Maßgeblich ist der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn mit der Maßgabe, dass ein tarifliches 13. und 14. Monatseinkommen sowie betriebliche Zahlungen mit gleichem Charakter (zum Beispiel Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung), Urlaubsabgeltungen und Abfindungen nicht zum Arbeitslohn gehören“, heißt es dazu.

Eingeführt werden soll auch eine Bagatellgrenze: „Unternehmen, deren Bruttolohnsumme unter 135.000 Euro liegt, fallen unter die Bagatellgrenze und können sich durch entsprechende Angaben im Meldeportal von der Umlage befreien lassen.“ Sehr kleine Apotheken könnten darunter fallen.

Gesetz aus juristischer Sicht in Ordnung

Laut Staatsgerichtshof hat das Land Bremen das Recht, ein solches Gesetz zu erlassen. Im kleinsten Bundesland gebe es seit Jahren zu wenig Ausbildungsbetriebe und zu wenig Plätze für Auszubildende, dafür brechen überdurchschnittlich viele ihre Ausbildung ab. Es sei im Interesse der Unternehmen, dass sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt bessere. Und es sei auch deren Verantwortung, betonte Sperlich. „Den Arbeitgebern kommt die historische gewachsene Aufgabe der Ausbildung zu.“

Nach Auffassung des Gerichts ist die Sonderabgabe unproblematisch. Die Unternehmen in Bremen werden demnach gleichermaßen damit belastet. Auch die Höhe der Abgabe sei verhältnismäßig.

Kammern: Ausbildungsfonds belastet Unternehmen

Die Handels-, Handwerks-, Zahnärzte-, Apotheker- und Ärztekammer sowie die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen zogen dagegen vor Gericht. Aus ihrer Sicht löst das Gesetz nicht das Fachkräfteproblem, sondern bringt nur eine zusätzliche finanzielle und bürokratische Belastung.

Handelskammer-Präsident Eduard Dubbers-Albrecht zeigte sich nach der Urteilsverkündung enttäuscht. „Wir respektieren selbstverständlich die Entscheidung des Staatsgerichtshofs, auch wenn wir nach wie vor der Überzeugung sind, dass der Landesausbildungsfonds verfassungsrechtlich problematisch, inhaltlich falsch ist und nichts bewirken wird.“

Die Arbeitnehmerkammer und die Gewerkschaften begrüßen wiederum, dass der Weg für den Ausbildungsfonds nun frei ist. „Er ist ein Vorbild für das gesamte Bundesgebiet. Es muss es jetzt darum gehen, weiter mit Hochdruck an der Umsetzung zu arbeiten“, betonte Ernesto Harder, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Bremen.

Entscheidung auch vor Gericht strittig

Nicht nur politisch ist die Abgabe umstritten. Auch die Mitglieder des Staatsgerichtshofs seien sich in dem Fall nicht ganz einig, räumte Sperlich ein. Die Entscheidung sei schließlich mit vier gegen drei Stimmen ergangen.

Nach Angaben eines Gerichtssprechers sind den Kammern jetzt die Hände gebunden, sie können als öffentliche Körperschaften nicht gegen das Urteil vorgehen. Nur die Unternehmen selbst könnten sich juristisch gegen die Abgabe wehren – und im Zweifel bis vors Bundesverwaltungsgericht ziehen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch

APOTHEKE ADHOC Debatte