„Unter zwei Millionen Umsatz geht nichts“ Eugenie Ankowitsch, 30.01.2017 09:15 Uhr
Immer mehr Apotheken in Bremen müssen schließen. Die Gründe sind vielfältig. Nachwuchsprobleme und Konkurrenz durch den Online-Handel gehören dazu. Die hohe Apothekendichte in der Hansestadt ist ein weiteres Problem.
Die Rembrandt-Apotheke in Huchting und eine Apotheke in der Neustädter Pappelstraße haben bereits Anfang des Jahres geschlossen. Die Falken-Apotheke und die Hafenapotheke in Walle folgen in wenigen Wochen. Damit sinkt die Zahl der Apotheken im Land Bremen, zu dem neben Bremen auch Bremerhaven gehört, auf 146. „Zwei bis drei weitere stehen auf der Kippe“, sagte Richard Klämbt, Präsident der Bremer Apothekenkammer. In den vergangenen fünf Jahren hätten mehr als 25 Apotheken schließen müssen.
Die Gründe für das Apothekensterben sind laut Klämbt vielschichtig. So könnten Pharmazeuten, die in Rente gehen, keinen Nachfolger für ihre Apotheken finden. Das liege unter anderem daran, dass es in Bremen keinen Pharmazie-Studiengang gibt, meint der Apotheker. Außerdem würden immer weniger Nachwuchspharmazeuten den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Wenn sich dann doch einer dazu entschließe, suche er sich eine Apotheke mit einem hohen Umsatz.
„Unter zwei Millionen Euro Umsatz geht hier gar nichts“, bestätigt Joachim Polls, der zusammen mit seiner Frau die Huckelriede-Apotheke und die Nettelbeck-Apotheke betreibt. Kollegen, die einen Nachfolger suchen, aber diese magische Grenze nicht erreichen, „gucken häufig in die Röhre“. Er kenne Apotheker, die seit Jahren auf der Suche nach einem Pharmazeuten als Nachfolger sind.
Dass die Umsätze der Bremer Apotheken schwächeln, liegt auch teilweise an der Apothekendichte in der Hansestadt. Klämbt berichtet, dass in einigen Top-Lagen mehrere Apotheken in einem Umkreis von wenigen hundert Metern liegen und deshalb einem hohen Konkurrenzdruck ausgesetzt seien. „Das ist natürlich Unsinn“, kritisiert der Kammerpräsident die ungleiche Verteilung.
Denn auf der anderen Seite gebe es bereits Stadtteile, die inzwischen nur über wenige Apotheken verfügten. „Das ist besonders in Bremen-Nord der Fall“, sagte er. „Das spüren wir und die Kunden vor allem auch im Notdienst. Wir müssen häufiger arbeiten und sie länger bis zur nächsten Filiale fahren“. Hinzu komme, dass Apotheken stark von den Ärzten in ihrer Nähe abhängig seien. „Wenn Ärzte schließen, betrifft das zumeist auch die Apotheker in der Nähe“, so Klämbt.
Polls glaubt daran, dass Apotheken in den schwierigen Zeiten einerseits ihre Stärken herausarbeiten und andererseits neue Wege gehen müssen. „Wenn wir nur vom täglichen Kundenverkehr leben würden, dann könnten wir bald zumachen“, sagte er. Der Apotheker und seine Frau haben sich eine Nische gesucht und beliefern zwölf Altenpflegeheime mit Medikamenten. Für das Apotheker-Ehepaar ist das ein 24-Stunden-Job. „Das schränkt die Lebensqualität sehr stark ein“, gibt Polls zu. Im vergangenen Jahr konnte sich der Apotheker nur eine Woche Urlaub erlauben. Fünf Mitarbeiter in den Apotheken des Ehepaars würden sich ausschließlich mit der Heimversorgung beschäftigen.
Wenn Polls daran denkt, dass er irgendwann ebenfalls einen Nachfolger für seine Apotheke finden muss, wird ihm etwas mulmig. Zwar liege der Umsatz seiner Apotheken über der magischen 2-Millionen-Grenze, der Preis dafür sei aber hoch. „Der persönliche Einsatz, der dafür nötig ist, ist immens und wird vermutlich jeden abschrecken“, befürchtet der Apotheker. Mehr als die Hälfte seines Umsatzes generiert der Pharmazeut nach eigenen Angaben mit der Altenheimversorgung.
Um den Austausch unter den Kollegen zu fördern und den künftigen Herausforderungen aktiv zu begegnen, haben sich einige Bremer Apotheken bereits vor 15 Jahren in einem Netzwerk zusammengeschlossen. Einmal im Monat treffen sich die Pharmazeuten, um sich über die neuen Entwicklungen auszutauschen, die Profile ihrer Apotheken zu schärfen oder auch um sich über gemeinsame Aktionen zu verständigen. Immer wieder lade man auch Experten aus unterschiedlichen Branchen ein, die ihre Erfahrungen und Kenntnisse an die Pharmazeuten vermitteln. Mittlerweile seien 22 Apotheker Mitglied im Netzwerk, Polls zählt auch dazu.
Schon bald würden die Apotheker laut Kammerpräsident Klämbt auch die Auswirkungen des EuGH-Urteils zu Rx-Boni spüren. Da rezeptpflichtige Medikamenten bis zu 80 Prozent des Umsatzes ausmachen, könnte sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken verschärfen. „Bereits jetzt müssen die Kollegen immer öfter mit den Kunden über die Thematik diskutieren“, so Klämbt. Das habe es früher in dem Maße nicht gegeben. Seine Apotheke und andere Bremer Inhaber würden sich deshalb an der Postkarten-Aktion der ABDA beteiligen, bei der Kunden Bundespolitikern schreiben können, warum sie das EuGH-Urteil unfair finden.
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