Das Bundessozialgericht hat bestätigt, was eigentlich allen hätte klar sein müssen: Wer sich an die Verträge hält, darf nicht retaxiert werden. Mit der Klatsche vor Gericht ist die AOK Bayern nun hoffentlich auch von ihrem unsäglichen Gebaren zu Lasten der Apotheken und ihrer eigenen Versicherten kuriert, kommentiert Alexander Müller.
Die Rechtslage ist eindeutig: In der Hilfstaxe ist geregelt, dass Zytostatika-herstellende Apotheken ihre unvermeidlichen Verwürfe den Kassen in Rechnung stellen dürfen. Sogar die Haltbarkeit ist in der Anlage definiert. Die AOK Bayern hat trotzdem immer wieder die Apotheken wegen der Verwürfe retaxiert und auf irgendwelche anderen Stabilitätsdaten verwiesen, die nichts mit der Fachinformation der Hersteller haben, an die sich die Apotheken aber trotzdem halten sollten.
Im Klartext: Die AOK will die Haltbarkeit von Medikamenten für bei ihr versicherten Krebspatient:innen entgegen geltender Vorschriften verlängern. Das alleine ist ungeheuerlich.
Vor Gericht hat die Kasse dann noch vorgetragen, Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband hätten die Vereinbarung in der Hilfstaxe gar nicht schließen dürfen, weil sie unwirtschaftlich sei. Damit stellt die AOK Bayern auch noch das System der Selbstverwaltung grundsätzlich in Frage. Es braucht keine Verhandlungen und Verträge mit dem GKV-Spitzenverband, wenn diese von den Krankenkassen nach Belieben nicht umgesetzt werden können. Das BSG hat der Kasse mit aller Deutlichkeit gesagt, dass die Vertragspartner ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten haben.
Erstaunlich ist daher, dass der Spitzenverband und die anderen Krankenkassen dem Treiben der AOK so lange tatenlos zugesehen haben. Denn einige Apotheken haben ihre Verwürfe bewusst bei anderen Kassen abgerechnet, weil sie keinen Ärger mit der AOK Bayern wollten. Diese hat also entweder auf Kosten der Apotheken oder der anderen Krankenkassen gespart.
Vermutlich deshalb hat die AOK Bayern auch alles unternommen, um eine Klärung des Sachverhalts zu verzögern. Wenn sie überzeugt gewesen wäre, dass ihre Einzelmeinung zur Abrechenbarkeit der Verwürfe korrekt ist, wäre ein Musterverfahren über einen kleinen Betrag in einem Einzelfall der saubere Weg gewesen.
Stattdessen hat die AOK über Jahre hinweg Apotheken mit hohen Retaxationen überzogen und die anschließenden Verfahren recht offensichtlich bewusst verschleppt. In belegten Einzelfällen wurden Apotheken sogar Deals angeboten: Rücknahme der Klage gegen Verzicht auf einen Teil der Retaxssumme. Einige Apotheken haben unter hohem wirtschaftlichem Druck und mit der Aussicht auf ein ansonsten endloses und kostspieliges Gerichtsverfahren diesem Kuhhandel zugestimmt. Die AOK hat einfach ihre Machtposition ausgespielt – und war dabei noch überaus lichtscheu. Öffentlich Position zum Sachverhalt wollte die Kasse trotz mehrfacher Nachfrage nicht.
Doch irgendwann war Schluss mit dem Versteckspiel. Das BSG hatte offensichtlich wenig Verständnis für das Vorgehen der Kasse und hat die Retaxationen einkassiert. Es bleibt zu hoffen, dass die AOK Bayern das Wirtschaftlichkeitsgebot nun endlich für sich entdeckt und nicht das Geld ihrer Versicherten für sinnlose Gerichtsprozesse aus dem Fenster wirft.
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